■ Der Bundestag stimmt für die Postreform II
: Wenn das Lenin wüßte!

Bis zum letzten Moment hatte die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) versucht rauszuholen, was rauszuholen war: Eingruppierung, Ost-Angleichung, Mitbestimmung, soziale Rechte ... die Sicherung der Besitzstände für die Post-Beschäftigten wurde Punkt für Punkt am Verhandlungstisch abgehakt, während sich die SPD-Fraktion zerstritt und in den Postämtern Millionen von Briefen liegenblieben. Erst ganz am Ende der Tagesordnung standen die Gespräche um den vielbeschworenen Sozialtarifvertrag. Den Gewerkschaftern war wohl klar, daß es geschickter ist, erst das Machbare abzuhaken, als sich am Unmöglichen – nämlich der hundertprozentigen sozialen Absicherung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag – festzubeißen.

Der heftige Streit um die sozialen Besitzstände der Beschäftigten markiert die Zäsur: mit der Postreform II geht eine Ära zu Ende. Durch die Privatisierung der Post-Unternehmen verschwindet eine Instanz, die in ihrer nationalstaatlichen Ausprägung erstaunlich dauerhaft war. Kein Zufall, daß auch Lenin in einem bekannten und vielfältig verwendeten Zitat die Effektivität und Rationalität der Deutschen Reichspost pries, deren Ordnungsprinzipien seiner Meinung nach als Vorbild für den Aufbau des Sozialismus dienen sollten. Vorbei der von Lenin propagierte Sozialismus, auch die Staatspost geht nun dahin. Mit dem langen Abschied verschwindet vieles: das einheitliche Gelb, das 1877 zum erstenmal in der Post Baden- Württembergs auftauchte und seit der Postreform I im Jahre 1989 nur noch dem Briefdienst vorbehalten blieb. So stark gelten Posthorn und Postgelb als Symbole staatlich garantierter Ordnung, daß die entsprechend ausgestatteten Spielkästen der „Kinderpost“ auch heute noch zur allseits beliebten Ausstattung deutscher Kinderzimmer gehören.

Mit solcher, die Nation einigender Symbolik ist nun Schluß: die neuen Telefonhäuschen strahlen im Rot- Ton „Magenda“, die Postbank wirbt mit Intensivblau. Von 1998 an werden sich auch ausländische Anbieter auf den bisher von der deutschen Telekom beherrschten Markt stürzen. Die Privatisierung der drei Postunternehmen wird einen Sozialabbau bei den Beschäftigten nach sich ziehen, es soll schließlich gespart werden. Die Vor- und Nachteile für die Verbraucher werden sich erweisen. Jenseits dieser rein pragmatischen Auswirkungen verschwindet mit der Abschaffung der gelben Staatspost auch ein Stückchen nationaler Identität. Kein herber Verlust. Barbara Dribbusch