Warten auf Höppner

■ Ausgerüstet mit einem harten Forderungskatalog, wartet die PDS-Fraktion in Sachsen-Anhalt auf den Kotau der SPD

Magdeburg (taz) – „Ich habe Volkswirtschaft studiert – wie Hans-Dietrich Genscher“, feixt Petra Sitte, alte und neue Fraktionsvorsitzende der PDS in Sachsen-Anhalt. Doch das Studium ist das einzige, was sie mit dem einflußreichen FDP-Weltenbummler gemein hat. Der nämlich war mit seiner kleinen Partei immer ein gefragter Koalitionspartner. Petra Sitte indes hat fast 20 Prozent der Wählerstimmen zu bieten – und bleibt unumworben.

Einsam und allein sitzt die 33jährige am Dienstag abend im Magdeburger Landtag. Ihre Kollegen haben das Warten für heute entnervt aufgegeben. Die große Frage lautet: Wo bleibt er? Warum war er noch nicht hier?

Die PDS, sie wartet ungeduldig auf Reinhard Höppner, den SPD- Spitzenkandidaten, der eine rot- grüne Koalition anstrebt. „Wenn der glaubt, er könne eine Minderheitenregierung ausrufen, ohne mit der PDS zu sprechen, wird er sich wundern“, glaubt Sitte. Und hofft auf die Unterstützung der Öko-Partei vom Flur nebenan. „Die werden die SPD zwingen, mit uns zu sprechen.“

Wenn sie sich da mal nicht irrt: Der Draht zwischen der SPD und den Grünen ist kurz geworden. Man duzt sich neuerdings auf Führungsebene, tauscht Autotelefonnummern und plaudert noch um Mitternacht. Ein Vorbereitungsgespräch hat bereits stattgefunden, morgen folgt das zweite. „Wir wollen das ganz schnell über die Bühne bringen“, sagt Hans-Jochen Tschiche, Fraktionschef der Bündnisgrünen. Grünes Licht von der Bundespartei hat er längst. Am Dienstag morgen traf ein Fax ein von Joschka Fischer: „Macht es! Und behaltet eure Ost-Mentalität.“ „Wir brauchen wohl so was wie einen Ost-Fischer“, belustigt sich Querdenker Tschiche. Doch er selbst will nicht der Ossi-Joschi werden. „Ich bleibe weiter Fraktionsführer, Ministerposten sollen die Frauen bekommen. Das Umweltministerium – unter der Leitung der Grünen-Spitzenkandidatin Heidrun Heidecke – ist ihnen sicher. Ob sie sich auch das Hochschul- und Frauenministerium unter den grünen Nagel reißen können, wird ausgehandelt. „So ganz weit können wir das Maul nicht aufreißen, bei dem Wahlergebnis“, räumt Tschiche ein.

Die PDS indes fühlt sich vollauf legitimiert, Laut zu geben. Mehr noch: Es wird gefordert. Einen Katalog hat die Fraktion aus ihrem Parteiprogramm extrahiert, den sie Höppner vorlegen will: Subventionierung der Mieten, Umwandlung des zweiten Arbeitsmarkts hin zum ersten, kleinere Schulen, Rechtsanspruch auf Plätze in Kindertagesstätten, Finanz- statt Sachleistungen an Asylbewerber, keine Abschiebung von Kurden. Dem soll der angehende Ministerpräsident zustimmen, sonst will die PDS ihn nicht dulden.

Daß Forderungen eigentlich nur von Koalitionspartnern gestellt werden dürfen, juckt Petra Sitte wenig: „Dann muß man Duldung eben umdefinieren. Immerhin will der ja was von uns.“

Auch das könnte ein Irrtum sein. Höppner denkt gar nicht daran, mit der PDS auch nur zu reden. Er wird auch ohne die Stimmen der PDS Ministerpräsident, im dritten Wahlgang.

„So lange will der nicht warten, der will doch schnell Strahli-Maus sein“, schätzt Sitte. Sie hofft, daß auch die CDU die Wahl rauszögern wird, um die „Volksfront“- Kampagne wirken zu lassen. Doch die CDU denkt möglicherweise anders. Der Urlaub ruft.

Am 16. Juli segnet der SPD- Landesparteitag die Koalition ab, dann soll's ruckzuck gehen, so SPD-Pressesprecher Kriesch.

Petra Sitte will nicht glauben, daß sie ausgebootet wird. „Wenn Höppner nicht kommt, werden wir überlegen müssen, ob wir seinem Haushalt zustimmen“, droht die Frau aus Halle. Als Trotzreaktion will sie dies nicht verstanden wissen: „Wir haben eine Verantwortung unserem Wähler gegenüber.“

Tatsächlich giert die PDS nach Anerkennung. „Höppner hat panische Angst davor, uns hoffähig zu machen. Wenn er sich inhaltlich mit uns auseinandersetzt, akzeptiert er die PDS als demokratischen Partner. Doch das scheut die SPD wie der Teufel das Weihwasser.“ „Wir lassen uns lieber von der CDU dulden“, sagt Kriesch.

Da haben die Grünen weniger Manschetten: „Der PDS werden Daumenschrauben angelegt. Entweder sie stimmt in Sachfragen mit dem Links-Bündnis, oder sie schließt sich der CDU an“, sagt Tschiche. „Hier wird sich zeigen, ob die PDS eine konservative Partei ist – oder eine linke. Doch ganz leer sollen Gysis Bunte nicht ausgehen: Die Grünen verzichten auf das Vize-Präsidentenamt im Landtag, zugunsten der PDS-Kandidatin Roswitha Stolfa. Michaela Schießl