Die Kopie der Kopie der Kopie bitte!

■ Der Bundestag verschärft das Stasi-Unterlagengesetz / Die Proteste von Journalistenverbänden wurden übergangen / Der ursprünglich beabsichtigte Maulkorb für die Medien wurde etwas gelockert

Berlin (taz) – Die Proteste des Deutschen Presserates und des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) nutzten wenig. Der Bundestag verabschiedete gestern in zweiter und dritter Lesung eine Verschärfung des Stasi-Unterlagengesetzes. Der Gesetzestext verändert sich damit zwar nur geringfügig, doch die Folgen sind weitreichend. In die Bestimmungen zur Anzeige- und Herausgabepflicht von Unterlagen der Staatssicherheit beispielsweise werden ganze fünf Worte eingefügt, doch die haben es in sich.

Bislang mußte jede „natürliche Person“, das heißt nicht nur JournalistInnen, Stasiakten in ihrem Besitz bei der Gauck-Behörde anzeigen und gegebenenfalls an die Behörde herausrücken. Nach der gestern beschlossenen Gesetzesänderung gilt das nun auch für „Kopien, Abschriften oder sonstige Duplikate“.

Der Deutsche Journalisten- Verband hatte im Vorfeld der Bundestagsdebatte die angestrebte Neuregelung nicht nur als völlig unpraktikabel gerügt. Die gemeinsame Vorlage von CDU, CSU, FDP und SPD, geißelte der Verband, sei „unverhältnismäßig“, ein „weiterer Mosaikstein im Bild von der schleichenden Aushöhlung der Pressefreiheit“. Nach dem Wortlaut des geplanten Gesetzes, hielt der DJV den Bonner Politikern vor, fallen bereits handschriftliche Notizen unter die jetzt verabschiedete Anzeigepflicht. Und zu deren Begründung reiche bereits die Aufzeichnung eines einzigen Zitates. Das Gesetz sei somit geeignet, „seriöse Recherche zu blockieren, Veröffentlichungen zu verhindern und damit die Kontrollaufgaben der Presse einzuschränken“.

Die Gauck-Behörde, beanstandete der Deutsche Journalisten- Verband weiter, werde durch diese Anzeigepflicht in die Lage versetzt, „vorzeitig Kenntnis von geplanten Veröffentlichungen zu erhalten und diese gegebenenfalls zu unterbinden“. Und genau dies sei „anscheinend vom Gesetzgeber beabsichtigt“. Das Ziel: Endlich Schluß mit den Enthüllungen aus dem verstaubten Nachlaß des Mielke-Ministeriums.

Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Meinungs- und Pressefreiheit hatte auch der Deutsche Presserat verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Die Novellierung des Gesetzes würde „den Informantenschutz belasten und die freie, auf der Grundlage eigener Verantwortung beruhende Entscheidung zur Veröffentlichung beschränken“.

Auch der Einspruch der Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen fruchtete nicht. Auf ihrer Konferenz vergangene Woche hatten die Vertreter aus Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen „die derzeit im Bundestag unter Ausschluß der Betroffenenverbände und der Landesbeauftragten auf den Weg gebrachte Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes als übereilt und in der sachlichen Absicht fragwürdig“ abgelehnt.

Ursprünglich wollte die Koalition der Bonner Altparteien eine wesentlich weitergehende Novellierung des Gesetzes durchsetzen. So war in den ersten Entwürfen zur Gesetzesänderung noch vorgesehen, selbst das sinngemäße Zitieren aus Stasi-Unterlagen unter Strafe zu stellen. Ein perfekter Maulkorb also. Die angepeilte Regelung wurde fallengelassen – im Wahljahr 1994 wollten sich die Bonner Politiker nicht mit den Zeitschriften- und Zeitungsverlegerverbänden anlegen. Wolfgang Gast