Bildungs-Demo: Senats-Hai frißt Lehrernerven

■ Pädagogische Aktionen auf dem Gänsemarkt / „Der Fehdehandschuh ist geworfen“

Die rund 1000 Lehrer, Schüler, Eltern und Sozialarbeiter, die sich gestern auf dem Gänsemarkt versammelten, hatten sich phantasievolle Aktionen ausgedacht: Senatshaie aus Pappe fraßen „Lehrernerven“, eine notgeschlachtete Papp–kuh stand für akuten „Kinderwahnsinn im Senat“, Musikstudenten sangen im Kanon: „Was muß das für ein Hajen sein, der Unis wahllos Professoren kürzt, die Bildung ins Verderben stürzt“.

Dennoch, die Beteiligung war bei weitem nicht so groß wie bei der Demonstration am 27. April. Hat also die Bekanntgabe der Sparmaßnahmen dem Protest den Wind aus den Segeln genommen? Oder war das unter dem Motto aus der Dreigroschenoper, „Denn die Verhältnisse, sie sind nicht so“, geplante Spektakel eine für massenhafte Beteiligung zu komplizierte Aktion? Immerhin stürmten zum Schluß rund 50 anarchistisch gesinnte Schüler das Podium, weil ihnen der Nachmittag zu lieblich war.

Wie berichtet, werden der Universität in einem ersten Schritt 1995 60 Professorenstellen gestrichen. Auch sollen alle Hamburger Lehrer ab Sommer 1995 eine Stunde mehr arbeiten. Hart trifft dies übrigens die Sonderschullehrer. Sie mußten erst im Vorjahr durch die Ausweitung der Unterrichtszeit von 40 auf 45 Minuten eine dreistündige Wochenarbeitszeitverlängerung hinnehmen.

„Ein Blick in die Lebens- und Arbeitsbereiche der anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollte ausreichen, um diese Maßnahmen zu akzeptieren“, heißt es in einer Pressemitteilung des bildungspolitischen Sprechers der SPD, Günter Frank. Die Tatsache, daß keine Lehrerstellen gestrichen werden, sei ein politischer Erfolg der Schulsenatorin. Die Menschen dieser Stadt würden den Demonstrierenden „spätestens heute die rote Karte zeigen“.

Die Arbeitszeitverlängerung erzeuge „Verbitterung, Wut und Kampfbereitschaft“, konterte auf der Kundgebung die GEW-Sprecherin Anna Ammonn. „Der Fehdehandschuh ist geworfen.“

In der Tat berichteten befragte Lehrer von sehr gut besuchten Gewerkschaftsversammlungen an den Schulen. „50 Kollegen waren da, auch die unpolitischen“, erzählte ein Gesamtschullehrer. Es sei eigens eine Gruppe gebildet worden, die Protestformen entwickeln soll: „Einen Streik trauen sich viele nicht zu.“

Frau Raab provoziere ein „grimmiges Nachdenken über Dienst nach Vorschrift“, sagte gestern der Sprecher des Deutschen Lehrerverbands. Der tatsächliche Einfluß der Behördenspitze auf die rund 16.000 Lehrer und Referendare sei „im freien Fall“.

Es sei unverständlich, warum der Senat im Bildungs- und Sozialbereich kürze, kritisierte zum Schluß der frühere Kinderschutzbundvorsitzende, Professor Walter Bärsch. Für die Zukunft habe die Gesellschaft keine bessere Ressource als die Kinder und Jugendlichen. „Dies ist keine abgegriffene Formel, dies ist die Wahrheit.“ kaj