Wider den deutschen Ungeist

■ Gestern wurde der Grundstein für das Denkmal „Bibliothek“ des israelischen Künstlers Micha Ullmann gelegt / Gedenken an Bücherverbrennung sei aktuell

Im Widerschein des Feuers auf dem Opernplatz gegenüber der Berliner Universität stand er, „eingekeilt zwischen Studenten in SA- Uniform“, und hörte „die schmalzigen Tiraden des abgefeimten Lügners“ wider „den undeutschen Geist“. Er hatte die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt. „Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und herschwankte.“ Plötzlich rief eine Frauenstimme: „Dort steht ja der Kästner!“ Erich Kästner verschwand, nachdem zuvor bereits seine Bücher ins Feuer geworfen wurden.

Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, so schrieb einmal Thomas Mann, galt vor allem im Ausland als das Symbol deutscher Barbarei, in Deutschland hingegen erinnere sich an sie kaum mehr einer. Gestern nun wurde ein Grundstein dafür gelegt, daß sich die Worte des Dichters nicht weiter bewahrheiten. Der Entwurf eines Denkmals „Bibliothek“ des israelischen Künstlers Micha Ullmann hatte bereits im vergangenen Sommer den internationalen Wettbewerb für ein „Bücherverbrennungsdenkmal“ auf dem Bebelplatz gewonnen. Einzig eine begehbare Glasplatte bietet den Blick auf das Denkmal, eine hermetisch abgeschlossene, unterirdische Bibliothek mit leeren Bücherregalen, in denen 20.000 der verbannten Bücher Platz finden könnten. So werde, wie es die Jury formuliert hatte, auf subtile und diskrete Weise ein Zerstörungsakt versinnlicht, der noch heute gültig sei.

Kaum jedoch war der Wettbewerb entschieden, hatte es Streit gegeben, die Staatsoper hatte die Fläche, sekundiert von der FDP, als Parkplatz reklamiert. Doch das, hieß es gestern aus der Bauverwaltung, sei nun ausgestanden, der Platz zwischen Staatsoper, Hedwigskathedrale und Alter Bibliothek könne zudem wie geplant für den Autoverkehr gesperrt werden.

Schräg gegenüber der Neuen Wache, dem verordneten Gedenken an Opfer und Täter, soll nun also ein „Denk-Ort“ entstehen, der, wie Bausenator Wolfgang Nagel in seiner Eröffnungsrede betonte, zur Wachsamkeit mahnen solle in einer Zeit, „in der rechtsextremes Gedankengut auch in sogenannten gutbürgerlichen Kreisen bis hinein in höchste Regierungsinstitutionen wieder höffähig zu werden beginnt“. Ein Denkmal, das Mut machen solle zur Auseinandersetzung, zur Scham, zum Zorn und vor allen Dingen zum Neinsagen. „Man darf nicht warten“, zitierte Klaus Piontek vom Deutschen Theater Erich Kästner, „bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den Schneeball zertreten, bevor uns die Lawine überrollt.“

Der innere Emigrant Kästner, dessen Bücher damals zum ersten Mal und später immer wieder verboten wurden, formulierte in seiner Erinnerung „Schwierigkeit, ein Held zu sein“ das Verhältnis zur Bücherverbrennung als Frage: Warum habe er am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz nicht widersprochen: „Ich hatte nicht mit der Faust gedroht. Ich hatte sie nur in der Tasche geballt.“ Warum er das erzähle, fragt Kästner. Weil immer, antwortet er, wenn von der Vergangenheit gesprochen werde, auch von der Zukunft die Rede sei, weil kein Volk die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen dürfe, daß im ernstesten Falle genügend Helden zur Stelle sein würden. Uwe Rada