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Durchs DröhnlandFlirrende Farben, wiegende Palmen

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wenn eine Horde durchtrainierter Jazzmusikanten auf Popmusik losgelassen wird, endet der Versuch meist äußerst blutarm. Das ist bei der uTe kA Band nicht anders, wo all die technischen Fertigkeiten, die von der illustren Muckerschar inklusive der singenden Chefin so breit und mächtig demonstriert werden, die Stimmungen, die erzielt werden sollen, in Perfektion versumpfen lassen. Fast wünschte man sich eine störende Rückkopplung, einen knirschenden Verstärker, der die tote Sterilität der Studioaufnahmen zerstört. So werden die unzweifelhaft ganz vorzüglichen stimmlichen Fähigkeiten von Frau Kannenberg in meist leise dahintröpfelnden, angejazzten Arrangements bar jeden Gefühls der Lächerlichkeit preisgegeben. Wie beim Fußball: Leute, die alles spielen können, finden meist nicht mehr den geraden Weg zum Tor.

Morgen, 22 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten.

Da hat sich Ginger Baker wohl gedacht, es wird mal wieder Zeit, ein bißchen Geld zu verdienen. Also wollte er eine neue Platte aufnehmen, und weil das doch netter ist, wenn man so was mit alten Kumpels als mit doofen Studiomusikern macht, hat er Jack Bruce und Gary Moore angerufen. Und das war so toll, da gab man sich gleich einen unheimlich einfallsreichen Namen, nämlich BBM. Cream-Fans freut's, die kriegen immerhin zwei Drittel des Originals, Moore-Fans freut's auch, die kriegen Moore. Der Rest freut sich auch, denn zu dritt können die alten Herren weniger anrichten als strategisch gut verteilt.

Am 3.7., 19 Uhr, Freilichtbühne Weißensee.

Die Farben flirren, die Palmen wiegen sich sanft in einer leichten Brise, wohlgeformte Körper bewegen sich katzengleich zu einem hingeschmeichelten Off-Beat. Nein, wir befinden uns nicht in der Bacardi-Werbung, aber wir sind nicht allzuweit entfernt. Mit dem Video zu ihrer Coverversion des Curtis-Mayfield-Klassikers „She Don't Let Nobody“ bedienen Chaka Demus & Pliers exakt dieselbe Klientel wie die Werbestrategen des hochgeistigen Getränkes. Und auch musikalisch ist das werbewirksam verkaufte Karibikklischee aus Sommer, Sonne, Sand und Alkoholsucht nicht weit von Chaka Demus & Pliers entfernt. Und das Duo kommt immerhin tatsächlich aus Jamaika. Was wieder mal noch ein paar Klischees mehr über die ach so lebensfrohe Lebensart dortselbst nahelegen würde, aber wir wissen ja auch, daß es im postreggaenden Jamaika durchaus immer noch sozialkritisch offbeatende Musik gibt. Womit wir beim Ragga wären, von dem unsere beiden Chartbreaker natürlich nicht unbeeinflußt sind, dessen tiefe Grummeligkeit ihnen aber weitestgehend abgeht. Statt dessen gute Laune, gute Laune und noch mal gute Laune. Souverän in Szene gesetzt von Sly & Robbie (das überrascht aber jetzt, wa?), da kann nichts schief gehen. Dazu paßt auch die aktuelle Single- Auskopplung, noch 'ne Coverversion, diesmal das schon längst zu Tode gespielte „Twist & Shout“. Ihr bester Song bleibt weiter „Murder She Wrote“, mit dem sie in der eigenen Heimat bekannt wurden. Trotz aller Kritik an Süßlichkeit und überbordender Freundlichkeit dieser Musik, gilt doch immer noch dasselbe wie für die Bacardi-Werbung: Ein ausgelutschtes Klischee funktioniert spätestens dann wieder, wenn „Gehirne sich wegen übergroßer Hitze abschalten“ (Matthias Sammer). Also, Handtücher raus, an Palmen denken, Drinks in die Hand stopfen und sich schweißnaß tanzen. Der Rest kommt dann von ganz allein.

Mit Jimmy Cliff und The Wailers am 4.7., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten.

Als ich neulich vor dem Sommer in die klimatisierten Räume des Kaufhofs am Alexanderplatz flüchtete und wieder mal nicht am Plattenregal vorbeigehen konnte, obwohl man dort nun sicherlich nicht allzuviel Ansprechendes findet, entdeckte ich doch tatsächlich irgendwo zwischen Rainbirds und Rolling Stones gleich drei verschiedene Spoken-Words- CDs von Henry Rollins. Einen obskuren Geschmack haben Kaufhof-Kunden offenbar. Der gute Henry ist inzwischen so durchtrainiert, daß er in der Lage ist, uns vollständig zuzuschütten, denn neben seinen ausufernden dichterischen Bemühungen hat auch seine Rollins Band erst kürzlich einen neuen Erguß vorgelegt. Und der ist doch inzwischen recht weit entfernt von seinem wildwütig punkenden Weg zur Größe mit Black Flag und seinen ersten, chaoskrachlärmenden Solo-Experimenten. „Weight“ ist ein schwer stampfendes, konzentriertes Stück Metal, das durch höchstmögliche Transparenz ausreichend Platz für Rollins Shouting läßt. Und das besticht zwar immer noch nicht durch vokale Finessen, aber Rollins Qualität war schon immer die unverrückbare Macht der richtigen Überzeugung, die in seinem Vortrag zu spüren war. Genau das macht ihn in unsicheren Zeiten immer wertvoller. Headliner des Abends sind allerdings Sepultura, die sich mittlerweile von dreschflegelnden Deathmetallern zu soliden Metallhandwerkern entwickelt haben, die manchmal sogar dem Mainstream ein Stückchen Glück abgewinnen können. Demnächst sollten die Brasilianer den Branchenführern Metallica beim Versuch, intelligenten Metal mit Massenappeal gut zu verkaufen, gehörig Konkurrenz machen. Wo so viele Helden versammelt sind, darf der größte Metal-Fan Deutschlands natürlich nicht fehlen. Philip Boa hat sich wie der reiche Onkel aus Übersee eine Supergroup aus diversen Größen zusammengestellt, um seiner liebsten Leidenschaft hochprofessionell nachgehen zu können. Das Kindchen heißt Voodoocult und spielt – wen wundert's bei der Mannschaft – einen souveränen, aber halt auch sattsam abgehangenen Allesdrinmetal, in den nur Boas dünnes Stimmchen nicht recht passen will.

Am 4.7., 19 Uhr mit Obituary, Eissporthalle, Messedamm, Charlottenburg.

NO FX gehören zu der Sorte, die auf Promo-Fotos schon mal Bad-Religion-T-Shirts anhat. Damit ist dann schon gesagt, wie sich das kalifornische Quartett so anhört: immer nach vorne, keine Pausen, keine Rhythmuswechsel, kein Geschwindigkeitsverlust, keine Gefangenen. Nun gut, manchmal überlegen sie es sich dann doch anders, aber das bleiben nur kurze Ausrutscher. Im Grunde ihres Herzens traten NO FX nur an, um gute, schöne alte Punktraditionen doch wieder überlebbar zu machen. Und das ist ihnen auch gelungen.

Am 7.6., 21 Uhr, Waschhaus Potsdam, Schiffbauergasse 1. Thomas Winkler

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