: PDS muß an sich selbst gemessen werden
■ betr.: „Keine Angst vor der PDS!“ (Interview mit Thomas Krüger [SPD]), taz vom 17. 6. 94
Thomas Krüger hat den Mut gezeigt, sich offensiv mit der PDS auseinanderzusetzen, ohne diese wie bisher zu dämonisieren oder als antidemokratisch hinzustellen. Krüger ist in seiner Aussage zuzustimmen, wenn er meint, daß es besser sei, die unzufriedenen WählerInnen in Ostdeutschland „wählen eine PDS mit sozialdemokratischem Programm“ als rechte Parteien.
Die PDS muß endlich an sich selbst gemessen werden. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich diese Partei nämlich weder als besonders links noch gar als linksextremistisch, sondern primär als programmatisch verschwommene, populistische Interessenpartei der Ostdeutschen. Ihre stalinistische Vergangenheit teilt sie mit der (Ost-)CDU, LDPD und NDPD, mit denen sich CDU und FDP problemlos vereinigt haben. Die Wahl der PDS ist als Protest und Aufschrei gegen die durch die schnelle Vereinigung verursachten und durch die Politik der Kohlregierung verstärkten Probleme in Ostdeutschland zu verstehen. Diese Menschen müssen angesprochen werden, ihre Interessen müssen in der Politik einer zukünftigen Bundesregierung berücksichtigt werden.
Das Ergebnis der Europawahl hat gezeigt, daß, sollte eine Fortsetzung der bisherigen Union/ FDP-Koalition nicht möglich sein, eine rot-grüne Koalition wahrscheinlich auf die Tolerierung durch die PDS angewiesen wäre.
Vor diesem Hintergrund erwarten wir sowohl von der SPD als auch den Bündnisgrünen, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine sozialökologische Reformregierung, notfalls mit der PDS als Mehrheitsbeschafferin, zu ermöglichen. Großkoalitionären in der SPD könnte so eine deutliche Abfuhr erteilt werden.
Auch die Bündnisgrünen müssen ihr Verhältnis zur PDS überdenken. Bei aller notwendigen Distanz zu dieser Partei stellt sie dennoch das kleinere Übel gegenüber den früheren Blockparteien CDU und FDP dar. Es muß zumindest geprüft werden, inwieweit inhaltliche Berührungspunkte mit dieser Partei bestehen und ob mit ihrer Hilfe grüne Politik, auch vor Ort in den ostdeutschen Kommunen, umgesetzt werden kann. In einigen Fragen, insbesondere bei der AusländerInnen- und Friedenspolitik, steht sie den Grünen näher als die anderen Parteien einschließlich der SPD. Marion Keppler, Sprecherin der
Landes-AG ImmigrantInnen
und Flüchtlinge von Bündnis 90/
Die Grünen Niedersachsen,
Burgwedel; Heidi Lippmann-
Kasten, Bündnis 90/Die Grünen,
Landtagsabgeordnete Nieder-
sachsen, Göttingen; Dr. Eckhard
Fascher, Kreisvorstandsmitglied
von Bündnis 90/Die Grünen
Göttingen
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