Weinerliches Gesabber

■ betr.: „Knallhart bekämpfen“ (Was tun mit der PDS?), taz vom 27. 6. 94

Wenn gute Politik, Profil und echte linke Positionen sich nicht mehr bei der SPD finden, so verwundert das sicher nicht. Auch die Tatsache, daß die PDS sich zu ebendieser Partei zu mausern scheint, die mancher in der SPD allzu lange erwartet hat, ist inzwischen bekannt. Aber daß ich heute morgen den gleichen Unsinn, den CSU-Huber in der Wahlrunde am Sonntag abend über die PDS abließ, bei Euch in der taz zu lesen bekam, ist schon beschissen.

Nicht daß es verwunderlich wäre, CSU-Positionen unverändert bei der Scharping-Truppe wiederzufinden, nein, aber daß Ihr mittlerweile ein Forum für Diffamierungen gegen angeblich „linksextreme bis linksextremistische“ Gruppierungen bietet, ist schon ziemlich widerlich. Im übrigen nimmt sich die Art von Wahlanalyse, das beredte Schwadronieren über die Motive der 20 Prozent „Protestwähler“, aus wie das weinerliche Gesabber einer Enttäuschten, deren Liebster eine andere gefunden hat, wofür sie sich nun eine feine Erklärung zurechtlegt, denn eigentlich kann er ja nur sie wollen ... [„So schön kann doch kein Mann sein, daß ich ihm lange nachwein' ...“ d.sin]Stephan Noller, Köln

[...] Als ob die SPD keinen lohnenderen Versuch anstrengen könnte als den, die Projektionsfläche linker IdealistInnen und ostdeutscher EinheitsverliererInnen zu durchlöchern! Wie wäre es mit dem, darüber zu sinnieren, warum Linke in Deutschland denn ganz offensichtlich eine andere Heimat (und die muß nicht unbedingt PDS heißen) erstreben als die „alte Tante“ SPD? Oder mit dem Versuch, das arbeiterInnenfreundliche Profil der SPD gegenüber den ChristdemokratInnen zu schärfen, insofern sie noch eins besitzt? Ein Kampfruf gegen die PDS ist doch nur das schräge Pfeifen im allzu inhaltsleeren Keller sozialdemokratischer Politik.

Politisch und menschlich unerträglich ist der Senf, den Hilsberg im Zusammenhang mit der vermeintlichen „persönlichen Verantwortung“ jedes einzelnen SED- Mitglieds an der bösen, bösen Diktatur verbreitet: Nicht nur daß wir uns eigentlich froh schätzen dürfen, noch eine politische Kultur zu besitzen, die auch die Problematiken struktureller Zwänge kennt, anerkennt uns in ethische und politische Urteile miteinbezieht, was offensichtlich Hilsbergs Horizont überschreitet: Was würde der „Sozial“demokrat Hilsberg wohl sagen, würfe mensch ihm an den Kopf, er sei mitverantwortlich – und zwar ganz persönlich verantwortlich! – für den Hungertod von 40.000 Kindern täglich, weil er einem kapitalistischen Schweinesystem angehöre und darüber hinaus einer Partei, die dieses unterstützt?

Historischer Unfug gesellt sich noch dazu, wenn Hilsberg eine Mündungstheorie vertritt, die die PDS-KPF rückverantwortlich macht für die Herrschaft der SED. Mensch kann ja von den KPFlerInnen halten, was mensch will, und ich halte nicht viel von ihnen, aber nach Hilsbergscher Logik müßten wohl die heutigen DemokratInnen direkt verantwortlich für den Faschismus sein, hat doch die Paulskirchenbewegung historisch unbestritten über den Weg der Weimarer Republik zu Hitler geführt. So eine Absurdität! Zudem offenbart sich in Hilsbergscher Polemik eine ganz ungute Art und Weise, mit deutscher – und das meint ost- und westdeutscher – Vergangenheit umzughen, wenn er nun, quasi händereibend, alle Partei- und damit Systemmitglieder als böse klassifiziert und ausgrenzt.

Da nimmt sich die Schelte gegen die „linkspopulistischen Konzepte“ doch eher amüsant aus. Lang lebe dagegen der hochintellektuelle und politisch differenzierte Ruf nach „Arbeit! Arbeit! Arbeit!“.

Übrigens: Wenn die PDS wirklich so links wäre, wie Hilsberg sie sich vorstellt, würden wohl noch mehr Linke sie wählen. Aber so bleibt es eben dabei: Liberale wählen grün, SozialdemokratInnen wählen PDS. Sebastian Lovens, Münster