Jahrhunderte auf Salz gebaut

■ Tip für den Sonntagstrip, wenn Tante Amanda aus Wanne-Eickel zu Besuch kommt: Fahr'n wir mal nach Lüneburg, Lüneburg, Lüneburg...

Im August zum Schnucken Gucken in die Heide zu brausen, das gehört ja irgendwie zum hanseatischen Standardprogramm. Statt aber an Lüneburg vorbei kann man durchaus auch mal in die Stadt hinein fahren – und das nicht nur zur Sommerzeit.

Backstein und Geschichte sind die Pfunde, mit denen die Stadt an der Ilmenau wuchern kann. Im Jahre 956 wurde der Ort erstmals erwähnt, 1247 bekam Lüneburg das Stadtrecht. Seit 1372 Mitglied im Hanse-Städtebund, war Lüneburg in seiner Blütezeit, von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, eine der reichsten deutschen Städte. Und davon ist auch heute noch viel zu bestaunen.

Zum Beispiel das Rathaus. Seit dem 13. Jahrhundert wurde daran gebastelt, und heute steht ein großer barockiger Palazzo vor uns, mit Turm und Glockenspiel aus Meißner Porzellan. Und auch das Rathausinnere lohnt sich anzuschauen: zum Beispiel die Gerichtslaube, mit üppigen Decken- und Wandmalereien verziert, mit soliden Holzschnitzereien versehen und mit schönen bunten Glasfenstern ausgestattet. Oder die „Bürgermeisterkörkammer“, in der die Ratsherren in strenger Klausur den Chef aushandelten. Oder den Fürstensaal und seinen repräsentativ gestalteten Aufgang. Kurz und gut: Reich waren sie, die mittelalterlichen Lüneburger, und sie zeigten es, sehr gerne sogar. Und sehen kann man's noch heute.

Sie waren reich, weil sie auf Salz saßen, auf „weißem Gold“ gewissermaßen. Wie sonst denn hätte man damals Fisch und Fleisch haltbar und somit transportfähig machen können? Schließlich gab's zu Ottos Zeiten weder Kühlschränke noch Atomstrom. Historisch aktenkundig wurde die Salzgewinnung nämlich im Jahre 956, als König Otto I. dem Lüneburger Michaeliskloster den Zoll aus dem Salzverkauf der Saline vermachte. Daraus wurde ein jahrhundertelanger Exportschlager, und die Stadt spielte im Hanse-Konzert eine bedeutsame Rolle.

Natürlich, dieser Reichtum zeigt sich nicht nur im und am Rathaus. Die charakteristischen hanseatischen Treppengiebel künden von Wohlstand und Bürgerstolz, und die nötigen Groschen zum Bau von St. Johannis (Baubeginn im 14., Schnitzaltar aus dem 15., kostbare Orgel aus dem 16. Jahrhundert, der Turm 108 Meter hoch), von St. Nikolai (unwesentlich jünger, ebenfalls mit Schnitzaltar und Bronzetaufe und den weiteren üblichen Accessoires) und von St. Michaelis (Baustart um 1400; figurenreich, dreischiffig) wurden gleichfalls aus dem Mehrwert erzielt, den das internationale Salz-Marketing erbrachte, EU-weit von Skandinavien bis zum Mittelmeer.

Was man sich noch ansehen sollte: Bürgerhäuser und Fachwerkbauten am Stintmarkt, den Alten Kran und die Salzspeicher am alten Hafen an der Ilmenau. Historisches findet sich fast überall in der Innenstadt. Wer sich für die Lokalgeschichte interessiert, wird im Stadt- und Landesgeschichtlichen Museum für das Fürstentum Lüneburg (Wandrahmstraße 10) gut bedient. Auch wer vorwiegend an den Grundnahrungsmitteln Salz und Bier interessiert ist, kommt auf seine Kosten: Ein Brauereimuseum findet sich in der Heiligengeiststraße 39, und als 1980 die Lüneburger Saline den Betrieb einstellte, wurde das Industriedenkmal in der – nomen est omen – Sülfmeisterstraße 1 zum „Deutschen Salzmuseum“ – der Rest von 216 brodelnden Bleipfannen und 54 Siedehäusern (Museen täglich geöffnet, nur die Stadtgeschichte ist montags geschlossen).

Wer mehr auf Musik steht, kann sich am kommenden Wochenende (8.-10. Juli) am Stadtfest erfreuen, Motto: „Lüneburg spielt auf“. Da ist die Innenstadt für den Autoverkehr komplett gesperrt, es gibt von Freitag bis Sonntag den ganzen Tag über Rock und Pop, Blues und Folk-lore, dazu einen Pfälzer Weinmarkt, Shows von Zirkusartisten und Theaterdarbietungen. Und beim Fischmarktfest am Stintmarkt dreht sich alles um den Fisch: Räucheraal und Salzhering werden zu den Klängen von Shanty-Chören an den Mann und an die Frau gebracht. Wenn das nichts für Tante Amanda ist!

Johann Peter Nissen

Informationen: Verkehrsverein (im Rathaus), Postanschrift: Am Markt, 21335 Lüneburg. Telefon: 04131/322 00 oder 30 95 93.