Wenn die Seen baden gehen ...

■ Über die Qualität der Berliner und Brandenburger Seen läßt sich streiten / In Berlin werden nur die Grenzwerte gemessen, nicht aber die strengeren EU-Richtlinien

Wer in diesen Tagen die Badehose einpackt und mit seinem Schwesterlein nach Wannsee fährt, dessen Freude könnte leicht getrübt werden. Nicht nur, daß es den Motorbooten auf den Berliner Gewässern künftig wieder erlaubt sein wird, mittags und abends Öl ins Wasser zu gießen, auch die Algen lassen sich nicht so einfach vertreiben. Zwar wurden nach einer Erhebung von „Stiftung Warentest“ am Wannsee die bakteriologischen Grenzwerte nicht überschritten, ob aber auch die viel strengeren Richtwerte der Europäischen Union eingehalten werden, darüber können die Berliner Behörden, anders als die der umliegenden Bundesländer, keine Auskunft geben.

Der Streit um die Qualität der Badeseen ist, wie könnte es anders sein, ein Streit um des Kaisers Bart, der immer dann auszubrechen droht, wenn die Rede vom Badeverbot ist. Als in eben jener Erhebung von „Stiftung Warentest“ im vergangenen Monat dem Tegeler See bescheinigt wurde, die Grenzwerte mehrfach überschritten zu haben und gefolgert wurde, daß zumindest zeit- und abschnittsweise mit Badeverboten gerechnet werden müsse, folgte das Dementi der Berliner Gesundheitsverwaltung stehenden Fußes. In die Messungen, die man der „Stiftung Warentest“ zur Verfügung gestellt habe, erklärte die zuständige Senatsmitarbeiterin Brita Derksen, seien auch die Starkregenfälle und entsprechend verstärkten Schadstoffeinträge vom vergangenen Jahr mit eingeflossen und hätten so für ein verzerrtes Durchschnittsergebnis gesorgt. „Die aktuellen Werte“, entzerrt Brita Derksen das Image des Berliner Schmuddelgewässers, „sind hervorragend“, im übrigen seien die Grenzwerte bei keinem der Berliner Seen überschritten worden.

Der Streit um die Qualität der Badeseen ist auch ein Streit um Grenz- und Richtwerte. Während sich die Berliner Gesundheitsverwaltung damit begnügt, Über- oder Unterschreitungen der Grenzwerte für gesamt- und fäkalkoliforme Bakterien zu messen, werden in Brandenburg auch die strengeren EU-Werte gemessen. Doch auch hier ist das Ergebnis wenig erfreulich. Im näheren Berliner Umland erreicht keiner der von „Stiftung Warentest“ überprüften Seen die EU-Normen. Im Gegenteil: Mehrfache Grenzüberschreitungen werden auch vom Scharmützelsee und Schwielowsee im Berliner Südosten vermeldet. Einzig der Parsteiner See, südlich von Angermünde, kann von den nahe Berlin gelegenen Seen von sich behaupten, eurorein zu sein.

Doch nicht nur die bakteriologische Belastung der Gewässer sorgt für getrübte Badefreuden, auch die Nährstoffbelastung ist in den Berliner und Brandenburger Seen in den letzten Jahren gestiegen. In Berlin weist neben dem Wannsee vor allem der Müggelsee eine starke Algenbildung auf, im Umland zum Beispiel der Schwielowsee bei Caputh. Mit der Trophieklasse fünf ist dieses Gewässer extrem nährstoffreich und droht durch Algenwuchs, Sauerstoffmangel und Fäulnisschlamm allmählich zu verlanden. Die Gründe für die vermehrte Zufuhr von Phosphaten und Stickstoffen sind vielfältig: Gedüngte Felder oder die Abwassereinleitung der Gemeinden gehören ebenso dazu wie die Berlin-Brandenburger, die zwar ihre Badehose einpacken, sich aber nicht schämen, mit ihrem Urin die Algen zu düngen. Um die Eutrophierung der Seen in den Griff zu bekommen, werden in Brandenburg und Mecklenburg nun erstmals sogenannte Seenkataster erstellt, mit deren Hilfe in naher Zukunft die dringend notwendigen Maßnahmen zur Sanierung und Renaturierung eingeleitet werden sollen.

Doch auch die Badenden, darauf weist „Stiftung Warentest“ ausdrücklich hin, können dazu beitragen, von den Seen in Berlin und Brandenburg weiteren Schaden fernzuhalten. Vermieden werden sollte nicht nur die Benutzung des Sees als Toilette, sondern auch das Bad mit frisch aufgetragener Sonnencreme sowie die extensive Suche nach einer abgelegenen Badestelle, vor allem dann, wenn man vorher weiß, daß selbige eigentlich nur noch zwischen Schilfbeständen, naturnahen Uferbereichen oder Vogelschutzgebieten zu finden wären. Juliane Greiner/Uwe Rada