„Halt die Schnauze, du Scheißtürke!“

■ Polizisten prügelten grundlos auf zwei Ausländer ein / Lapidare Erklärung für das brutale Vorgehen: „Wohl ein Blackout“

Ein neuer Fall von willkürlicher Polizeigewalt gegenüber Ausländern beschäftigt die Berliner Staatsanwaltschaft.

Am 4. Juni gegen 22.10 Uhr in der Lübbener Straße in Berlin- Kreuzberg: Clara I. kann nicht glauben, was sich vor ihrem Imbißstand abspielt. Gerade erst hat sie ihren Ehemann Ali-Abdullah und seinen Cousin verabschiedet, als sich zwei übereifrige Polizeibeamte daranmachen, die beiden mit ihren Gummiknüppeln zu bearbeiten. Der Grund: Die Streife hat beobachtet, wie sich die beiden Libanesen an einem in der zweiten Spur abgestellten Fahrzeug zu schaffen machten.

Die haben jedoch lediglich versucht, an ihrem eigenen Wagen, die verklemmte Fahrertür zu öffnen. Als dies nicht gelang, schlug Taha I. ein Fenster ein. Die Beamten fühlten sich alarmiert und sahen sich gezwungen, sofort einzuschreiten. Sie steigen aus ihrem Polizeifahrzeug und schlagen wortlos auf die zwei Libanesen ein. Taha I. wird von hinten gepackt und gegen ein Fahrzeug geworfen. Damit nicht genug. Die Polizisten sehen sich derart in Bedrängnis, daß sie noch Verstärkung gegen die „Gewalttäter“ anfordern.

Drei weitere Beamte kommen, ergreifen Taha I. und ziehen ihn an den Haaren auf die Straße. Noch als er auf dem Boden liegt, knallen die Gummiknüppel auf ihn nieder. Beide Brüder werden in Handschellen abgeführt. Selbst noch im Polizeiwagen geht die Prügelorgie weiter.

Erst auf der Fahrt zur Polizeistation 53 machte sich ein Beamter die Mühe, die beiden nach ihren Ausweisen zu fragen. Doch noch immer interessiert niemanden, wer der Halter oder Besitzer des Fahrzeugs ist. Auf dem Revier angelangt, werden die Libanesen in getrennte Zellen eingeschlossen.

Clara I., die deutsche Frau von Ali-Abdulla, ist dem Wagen auf die Wache gefolgt und fordert die Freilassung ihres Ehemannes und ihres Schwagers. Nach einer halben Stunde können die beiden dann, ohne Kommentar der Beamten, die Polizeistation verlassen. Clara I. hat vorher mehrmals versucht, gegen die prügelnden Beamten Anzeige zu erstatten. Vergeblich, die Entgegennahme wurde mit sehr barschen Worten abgelehnt. Der Rechtsanwalt Hans- Christian Ströbele hat, wie die taz gestern erfuhr, daraufhin Strafanzeige gegen drei Polizeibeamte gestellt, „wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt, Nötigung und Freiheitsberaubung“.

Ein Polizeibeamter hat sich durch besonders brutales und aggressives Verhalten hervorgetan. Er hatte gegenüber Taha I. auf dessen Protest hin geäußert: „Halt die Schnauze, du Scheißtürke!“

Die verantwortliche Polizeidienststelle hüllt sich zum brutalen Vorgehen ihrer Beamten in Schweigen. Gegenüber der taz sagte sie heute nur, daß die Ausgangssituation grundsätzlich anders gewesen sei. „Der Angriff ging von einem der beiden Herren I. aus.“

Dagegen steht, so Hans-Christian Ströbele, die Aussage von 16 Passanten, die das brutale und sinnlose Vorgehen der Polizei bezeugen können.

Auch habe sich ein etwas abseits stehender Polizist Clara I. gegenüber geäußert, daß einer seiner prügelnden Kollegen wohl unter einem „Blackout“ leiden müsse. Anja Nitzsche