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Neues vom kleinen ABC des Fernsehens, aufgelesen und durchbuchstabiert  ■ Von Klaudia Brunst

Wer heutzutage beim Fernsehen mitreden will, muß zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, daß das Medium mittlerweile eine über fünfzigjährige Geschichte hat. Keine wahrhaft bedeutende, skandalöse, erkenntnisreiche – aber immerhin eine Geschichte, aus der heraus erklärlich wird, warum ist, was ist.

Joan Kristin Bleicher hat sich nun dankenswerterweise die Mühe gemacht, eine Chronik zur Programmgeschichte des deutschen Fernsehens zu erstellen, die uns Nachgeborenen vermittelt, wie sich das Fernsehen langsam formierte, wie es sich Zug um Zug, Kanal um Kanal, ausbreitete und letztlich zu sich selbst fand. In nach Jahreszahlen geordneten Kapiteln referiert die Herausgeberin jeweils die Veränderungen in der Organisationsstruktur der Sendeanstalten und gibt anschließend einen kleinen, notwendigerweise unkompletten Überblick über das Programm des jeweiligen Jahres. Ein ausführliches Sach- und Personenregister hilft beim Auffinden des gesuchten Sendedatums oder der zu recherchierenden TV-Größe. Ein probates Arbeitsmittel also für den professionellen Gebrauch, aber auch zum ziellosen Durchstreifen der Fernsehgeschichte geeignet. Oder hätten Sie gewußt, daß „Panorama“ schon seit dem 7.10.62 auf Sendung ist?

Edition Sigma, Berlin 1993, 406 Seiten, brosch., 39 DM

Wo Bleichers Chronik Lücken läßt, empfiehlt sich ein Blick in die spartenorientieren Handbücher. Schon seit längerem auf dem Markt, aber immer noch empfehlenswert, ist Hätten Sie's gewußt?, ein Kompendium über Quizsendungen und Game Shows, herausgegeben von Gerd Hallenberger und Joachim Kaps. Der aus aus einem Forschungsschwerpunkt der Uni Marburg entstandene Reader ist weniger ob seiner nicht immer dienlichen Einordnungsversuche als vielmehr wegen seiner ausführlichen Programmgeschichte interessant. Viele nostalgische Abbildungen rufen Erinnerungen an alte Fernseherlebnisse wach, die mittels des ausführlichen Sendedaten-Anhangs auf ihre Wahrhaftigkeit überprüft werden können. Versah Postbote Walter Spahrbier tatsächlich schon 1954 für Peter Frankenfeld seinen Dienst?

Jonas Verlag, Marburg 1991, 174 Seiten , zahlr. Abb., 38 DM

Viel trockener kommt da Egon Netenjakobs TV-Filmlexikon daher. Nach Personen des TV-Schaffens geordnet, läßt Netenjakob die KollegInnen Regisseure, Autoren und Dramaturgen aus den Jahren 1952–92 Revue passieren. Auch hier hilft ein umfassendes Titelregister beim Auffinden der gewünschten Information. Wann gibt es das aktuelle Netenjakob- Update auf CD-Rom?

Fischer Taschenbuch Verlag, Ffm 1994, 518 Seiten, 29,90 DM

Wo wir schon mal beim Déjà vu sind: Die Nostalgie hat ja mittlerweile selbst die hartnäckigsten Wiederholungsgegner erfaßt. Von Lassie bis Flipper, von Köpke bis Abramczik nudeln die privaten wie öffentlich-rechtlichen Sendestationen die alten TV-Hits noch mal ab. Aber so wie damals, als wir noch in kurzen Hosen vor der Fernsehtruhe hockten, ist's eben nimmer. An die längst vergessenen Fernsehstunden der 60er Jahre erinnern Bernd Müllender und Achim Höllenheidt in ihrem liebevoll bebilderten Band Am Fuß der Blauen Berge. Mit ihnen schwelgen übrigens auch zahlreiche taz- Autoren.

Klartext-Verlag, Essen 1994, 248 Seiten, 34 DM

Auch Walter Wüllenberger ist ein Fernsehkind der Sechziger. Aber anders als das oben erwähnte Nostalgiebändchen rechnet der 32jährige in Wir Fernsehkinder gründlich ab mit seiner „Generation ohne Programm“. Durchaus flott geschrieben karikiert er die Entscheidungsträger der Zukunft als die Generation der unterhaltungsverwöhnten Unentschiedenen. Alles begegnet uns wieder: das Pali-Tuch und Lassie, die Friedensdemos und Schweinchen Dick. Zwar bemüht Wüllenberger etwas penetrant unser Lieblingsspielzeug, den Anrufbeantworter, als Sinnbild für den Umgang mit modernen Medien, aber abseits seiner Launigkeit hat der Mann durchaus etwas zu sagen. Nur: Wie konnte ihm das alles einfallen, wenn er doch immer nur in die Röhre schaute?

Rowohlt Verlag, Berlin 1994, 141 Seiten, 24,80 DM

Jetzt wird's auf den letzten Metern noch richtig ernst: Was die zuvor bemühten Herren in umgangssprachlichem Deutsch vermitteln wollten, ist bei Lothar Mikos harte Wissenschaft. In Fernsehen im Erleben der Zuschauer referiert der Medienwissenschaftler den „lustvollen Umgang mit einem populären Medium“. Das liest sich zwar wenig lustbetont, ist aber auf der Höhe der medialen Diskussion. Endlich hat einer mal tatsächlich den Platz gewechselt und betreibt die Wirkungsanalyse aus der Sicht des Zuschauers. Und siehe da! Wir sind gar nicht die passiven Konsumenten, für die man uns immer hielt.

Quintessenz-Verlag, München 1994, 232 Seiten, 48 DM

Der Vollständigkeit halber seien an dieser Stelle noch zwei Handbücher erwähnt, die sich speziell an ausgewiesene TV-Freaks richten. An solche nämlich, die selbst nach dieser Lektüre Fernsehen nicht einfach sehen, nicht einmal lesen, sondern tatsächlich selbst machen wollen: Josef Stader gibt in Fernsehen: Von der Idee bis zur Sendung einen Einblick ins Innerste der Fernsehwelt. Vom Drehbuchschreiben bis zum faksimilierten Formular „Vorlage zur Programmbewilligung“ führt er durch den Dschungel des TV-Verwaltungsapparats, erklärt die Aufgaben des Stabes (Tonmeister, Kameramann, Scriptgirl) und wird mit seiner Anleitung „How to make TV-Movies“ sicher all jene erfreuen, die nun unbedingt einmal selbst ihren Namen im Abspann lesen wollen.

Eichborn Verlag, Ffm 1994, 292 Seiten, viele Grafiken und Formulare, 39,80 DM

Es gibt auch leichtere Wege, ins Fernsehen zu kommen. Einen der unterhaltendsten weist allen Freunden der leichten Muse Peter Pohle auf. Sein Handbuch für Spielshowwütige TV-Shows von A–Z gibt einen Überblick über alle Showformate, Preisgewinne, Castingvoraussetzungen. Fernsehpromis wie Ulla Kock am Brink oder Frederic Meisner geben Tips für Kandidaten und Einblicke hinter die berühmten Kulissen. Andreas M. Reinhard vom Unterhaltungssender BR bricht eine Lanze für öffentlich-rechtlichen Showtingeltangel, und auch Gerd Hallenberger darf noch einmal zusammenfassen, was er in Marburg erforschte. Man liest's mit Interesse, fragt sich aber schließlich doch, ob es denn wirklich nichts Schöneres gibt, als beim „Glücksrad“ eine Waschmaschine zu gewinnen.

BR Verlag, Berlin 1993, 272 Seiten, mit Abb., 39 DM