Neuer Chef für Italiens Linksdemokraten

■ D'Alema setzt sich überraschend durch / Der große Stratege und ausgefuchste Verhandler will alte Kommunisten und neue Linke unter einen Hut bringen

Italiens Demokratische Partei der Linken hat sich eine Überraschung geleistet: Mit 249 zu 173 Stimmen wählte das Direktorium der italienischen Demokratischen Partei der Linken (PDS) – mit 20 Prozent die größte Oppositionsgruppe – den bisherigen zweiten Vorsitzenden Massimo D'Alema zum neuen Parteichef. Bei Umfragen im Parteivolk und in den Sektionen hatte Walter Veltroni, Chefredakteur der Parteizeitung L'Unita, besser abgeschnitten.

Der 47jährige D'Alema kommt sozusagen aus bester Tradition: Die Mutter war lange Zeit Frauenbeauftragte der alten KP, der Vater mehr als zwei Jahrzehnte KP- Abgeordneter. Schon im Alter von 13 Jahren war Massimo als derart eifriger Partei-Eleve aufgefallen, daß er die Begrüßungsreden bei Besuchen hochkarätiger ausländischer Parteiführer halten durfte. Und Enrico Berlinguer sagte ihm bereits Ende der 70er Jahre voraus, daß er einmal der Chef der Partei sein werde.

D'Alema versucht bereits seit Jahren, eine Brücke zwischen der alten PCI und der neuen Linken zu bauen. Nach dem Debakel bei den Wahlen im März fürs italienische und im Juni fürs europäische Parlament war der bisherige Parteichef Achille Occhetto zurückgetreten. D'Alema will ein Zerbrechen des „fortschrittlichen Pools“ aus Ex- Kommunisten, Grünen, Reformsozialisten, Anti-Mafia-Kämpfern und der „progressiven Kapitalfraktion“ der Demokratischen Allianz verhindern.

Leicht wird er es nicht haben, obwohl er im Parteidirektorium anerkanntermaßen der weitaus politischste Kopf ist, eine geradezu unfehlbare strategische Begabung und auch ein beträchtliches Integrationstalent bewiesen hat. Aber der darniederliegende Haufen der Linken scheint derzeit durch nichts und niemanden aus seiner Agonie erweckbar. Zudem bringt D'Alema trotz seines noch geringen Alters einige Altlasten mit. Als hochgedienter Apparatschik ist er bereits diverse Male in Verdacht geraten, ebenso wie die Regierungsgrößen illegal Parteispenden einkassiert zu haben. So manchem paßt auch seine ganz nach Kommissarsart schneidende, mitunter arrogante Art des Auftretens nicht.

Dennoch sind sich die Politkommentatoren auch verschiedener Lager darin einig, daß nur D'Alema derzeit in der Lage ist, der Partei die nötigen Reformen, den ebenso nötigen ideologieabbauenden Pragmatismus und längerfristig auch wieder den Mut zum erneuten Kampf gegen die Regierung zu geben. Seinen Führungsstil will er kollektiv ausrichten, hat er in einer ersten Stellungnahme nach seiner Wahl gesagt, und die Rolle der Opposition möchte er – erstmals seit Berlinguers Umarmungstaktik gegenüber der Regierung – endlich wieder als den „großen Gegensatz“ sichtbar machen. Werner Raith