„Wir müssen auf Kompromisse aus sein“

■ Interview mit Axel Adamietz, MdBBü der FDP: Wie das Abrutschen der FDP unter die 5-Prozenthürde vermeiden?

taz: Ist das jetzt die zweite oder die dritte Partei, die absackt, nachdem der Adamietz sich für sie engagiert?

Axel Adamietz: Also erstens: Die Bremer Grüne Liste war keine Partei, sie war immer eine Wählergemeinschaft. Zweitens: Als ich da eingetreten bin, war sie sehr erfolgreich und ist in die Bürgerschaft gewählt worden. Als ich 1990 in die FDP eintrat, war es auch sehr erfolgreich: Sie ist 1991 mit dem Ziel, die absolute Mehrheit der SPD zu brechen, auch in die Bürgerschaft gewählt worden. Insofern habe ich keine Probleme.

Aber die Erfolge hielten nicht lange vor...

Adamietz: Für die Wahl in Sachsen-Anhalt kann ich mich nicht verantwortlich machen. Da hat es sicher landespolitische Gründe gegeben. Aber natürlich ist da auch ein Bundestrend: Hamburg, Europawahl, Niedersachsen ...

Warum hat die FDP so große Schwierigkeiten, in der Wählerschaft eine solide Anerkennung zu finden?

Adamietz: Die FDP ist eine Partei, die zu Recht sagt: Wir haben eine programmatische Grundlage, aber wir sind Realisten, wir müssen auf Kompromisse aus sein. Die Wähler haben oft die Vorstellung: Eine Position wähle ich in Abgrenzung zu anderen. Die FDP hat den Fehler gemacht, ihre spezifische Rolle im politischen Geschehen nicht deutlich zu machen.

Die Plakate zum Europawahlkampf haben gesagt: FDP wählen heißt die Freiheit wählen. Was das mit der Europawahl zu tun haben soll, habe ich nicht verstanden.

Adamietz: Das war sehr abstrakt, das kann die Leute nicht motivieren, zumal die anderen auch für die Freiheit sind.

In der Europawahl lag die FDP in Bremen unter 5 Prozent. Und die nächste politische FDP-Tat war die Blockade des Kita-Asbauprogramms. Will die Bremer FDP die von Sachsen-Anhalt nach unten übertreffen?

Adamietz: An dem Kita-Programm sieht man deutlich, wie Politik wahrgenommen wird. Es geht uns nicht darum, das Kita-Ausbauprogramm zu verhindern, sondern darum, es zu ermöglichen. Es muß nämlich finanziert werden. Wer Programme vorlegt, die nicht finanziert sind, der vermittelt Illusionen.

Die Jugendsentorin wollte das aus Einsparungen dank Pflegeversicherung finanzieren...

Adamietz: Jaja, die Gelder sind aber schon für andere Zwecke verplant. Man kann Geld nur einmal ausgeben.

Die Frage bleibt: Wie kommt die FDP in Bremen über 3,5 Prozent?

Adamietz: Man muß klaren Kurs halten, zu seinen Aussagen stehen. Einmal hü, einmal hott sagen – das versteht niemand. Für uns in Bremen heißt das: Wir haben einen klaren Kurs, und der ist: Die Eigenständigkeit des Landes im Interesse der Bürger zu erhalten, das Sanierungsprogramm. Wenn wir daran scheitern, weil das nicht vermittelbar ist, weil die Leute mehr Geld ausgeben wollen, als sie haben, dann haben wir politisch eine Niederlage erlitten, mit der wir aber sehr wohl leben können, weil wir wissen, was daß wir das Richtige getan haben.

Das Sanierungsprogramm ist bittere Medizin. Und das Versprechen, daß es dann im Jahre 2005 wieder besser werden könnte, lindert den Schmerz heute nicht.

Adamietz: Wir haben eine Durstrecke bis 1998. In dieser Zeit müssen wir unsere Ansprüche runterfahren. Dann sehen wir, ob ein solches Experiment – und das ist es nach wie vor – gelingen kann.

Viele Wähler gucken direkter. : Was ist mit den Senatoren? Van Nispen ist durch seine Krankheit von der Bühne verschwunden, Jäger kann im Konjunkturtief wenig Erfolge vorweisen...

Adamietz: Das ist richtig. Bundes- oder weltweite Konjunktureinbrüche, die Bremen wegen seiner strukturellen Schwäche besonders treffen, können wir nicht ausgleichen. Und die Steuerschätzungen präsentieren uns eine Katastrophenmeldung nach der anderen. Ich baue aber darauf, daß sich Optimismus breit machen wird, wenn eine positive Entwicklung auch bundesweit stattfindet und sich in Bremen niederschlägt. Dann können wir auch wieder gestalten – man muß es den Leuten nur sagen, daß das ein bißchen dauert.

Die FDP-Fraktion hat am Montag auch beraten über die Lage. Hat es da eine Idee gegeben, wie die Partei in Bremen wieder etwas populärer werden kann?

Adamietz: Die Partei in Bremen hat sich bemüht, nicht jeden Streit in der Koalition öffentlich auszutragen. Ich gestehe, daß wir auch Fehler gemacht haben, indem wir darauf reingefallen sind. Wenn wir unser Profil, aktualisieren können, dann würde deutlich: Politik kann in Bremen stattfinden.

Die Grünen repräsentieren diese Vernunft in der Politik nicht?

Adamietz: Nein. Die Grünen fühlen sich politisch sehr gestärkt, auch durch Wahlergebnisse, und setzen deswegen auf unvermittelbare Positionen.

Zum Beispiel?

Adamietz: Zum Beispiel die Energiesteuer – 5 Mark für den Liter Benzin. Oder die Position beim Verkauf der Stadtwerke. Bremen ist nicht in der Lage, eine Energiepolitik vermittels des Eigentums an Stadtwerken zu machen. Bremen muß sich auf andere Instrumente stürzen. Aber beim Verkauf geht es um die Frage: Wie können wir die Schulden der Vergangenheit – Vulkan, Klöckner, andere, das sind alles alte Schulden – bezahlen. Ich muß doch alles dafür tun, um soviel wie möglich dabei herauszuholen, und erst dann kann ich anzufangen, Energiepolitik zu machen...

Wenn man alles verkauft hat, kann man keine Energieolitik mehr damit machen ...

Adamietz: Aber doch nicht Politik mit dem Eigentum an Stadtwerken! Die sind zu winzig, gemessen an den europäischen Entwicklungen. Der europäische Binnenmarkt wird mit den Durchleitungsrechten diese Strommonopole beenden. Wenn, dann ist jetzt noch Geld zu machen mit den Stadtwerke-Anteilen, im Jahre 1998 kriege ich keinen Pfennig mehr dafür.

Int.: K.W.