SPD streichelt die Seele ihres Häuptlings

■ Ditmar Staffelt auf dem Parteitag erneut zum Landesvorsitzenden gewählt / Alle waren zufrieden, weil mehr das angeschlagene Selbstbewußtsein gepflegt als politische Auseinandersetzungen

Freitag abend, kurz vor elf Uhr, war die Welt des Ditmar Staffelt wieder in Ordnung. Nervös hatte der 44jährige in einem Seiteneingang verharrt, umgeben von einigen Getreuen. Kaum wurde das Abstimmungsergebnis verkündet, zog Staffelt sein dunkles Sakko über, um in den Saal der Kongreßhalle am Alexanderplatz zu schreiten. Die Botschaft war so symbolhaft wie deutlich: Der gescholtene Landesvorsitzende kehrt zurück in den Kreis seiner Genossen. Knapp über 70 Prozent der Delegierten – vor zwei Jahren waren es gegen Monika Buttgereit nur 62 Prozent – hatten ihm kurz zuvor erneut ihr Vertrauen geschenkt. Nur 66 von 275 stimmten mit Nein, 12 enthielten sich. Fürs erste war die hausgemachte Krise in der Affäre Heckelmann, bei der der Landes- und Fraktionsvorsitzende wie ein Politanfänger in das offene Messer der CDU gelaufen war, ausgestanden. Nach der herben Kritik des linken Flügels hatte Staffelt einen kleinen Sieg davongetragen.

Selbstkritisch hatte sich Staffelt in seiner Rede zu seinen Fehlern bekannt, ohne sie jedoch konkret zu benennen. Aber die Mehrheit der Delegierten empfand wohl wie der ausländerpolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Eckhardt Barthel, der allein in Staffelts Drohung mit dem Mißtrauensantrag eine „mutige Tat“ sah. Es war ein zweitägiger Parteitag der verbalen, folgenlosen Attacken. Schon im Vorfeld hatte sich die Linke bemüht, den Konflikt nicht übermäßig zu strapazieren. Lautstarke Forderungen wie die der Jusos („Heckelmann raus, Staffelt abwählen“) oder eines Kreuzberger Linken, Staffelt sollte auf seine Funktionen verzichten und der Berliner SPD „die Chance eines Neuanfangs“ geben, blieben rhetorische Stimmübungen. Mangels einer personellen Alternative – keiner der Flügel hatte einen Gegenkandidaten nominiert – war es die Journalistin und Sozialdemokratin Lea Rosh, die sich der Pflege des angeschlagenen Selbstbewußtseins der Partei widmete. Ihr Plädoyer für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen- Anhalt traf die Stimmungslage der gebeutelten Genossen, ließ die hausgemachte Krise für einen kurzen Moment vergessen. Fast euphorisch reagierte ein Teil des Saales auf ihre selbstbewußte Feststellung, sie könne sich Schlimmeres vorstellen, als sich durch die PDS tolerieren zu lassen.

Die postkommunistische Konkurrenz war in den Köpfen und Redebeiträgen stets präsent. Das Umknicken in der Affäre Heckelmann, so meinte eine Vertreterin aus Hellersdorf, sei „Wahlkampf für die PDS“ gewesen. Scharfe Ablehnung ernteten beim linken Flügel jene sechs Vertreter, die sich in einer fraktionsinternen Sitzung gegen einen Mißtrauensantrag ausgesprochen und damit Staffelts Vorstoß das endgültige Garaus gemacht hatten. Der Vorwurf, ihnen sei es nicht um die Angst vor einer gemeinsamen Abstimmung mit der PDS, sondern nur um die Sicherung von Pfründen gegangen, traf manchen Ostdelegierten schwer. „Nach 40 Jahren DDR- Geschichte dreht man sich nicht einfach um und sagt: PDS? Na und!“, versuchte Arbeitssenatorin Christine Bergmann, selbst Ostberlinerin, die pauschalen Schuldzuweisungen zurückzuweisen.

Der Konflikt zwischen Ost und West, der am Samstag aufbrach, war nicht nur ein Konflikt der Befindlichkeiten, sondern der politischen Gegensätze. Bauchschmerzen hatten einige Ostdelegierte mit einem schließlich angenommenen Antrag, in dem die jüngsten Versuche gegeißelt wurden, den kommunistischen Widerstand aus der Gedenkstätte Deutscher Widerstand auszugrenzen. Da mußte erst Jugendsenator Thomas Krüger in die Bresche springen, um die Ostdelegierten zur Zustimmung zu bewegen. Nicht zuletzt bei seiner Kandidatur für den Posten des Landeskassiers wurden die Fronten offengelegt. Krüger, Wunschkandidat von Staffelt, scheiterte schließlich in zwei Wahlgängen am Westlinken Klaus-Uwe Benneter. Der frühere Juso-Bundesvorsitzende, der in den siebziger Jahren mit seinem marxistischen Kurs die Parteioberen erzürnt hatte, behielt im zweiten Wahlgang mit 133 gegen 128 Stimmen knapp die Oberhand gegen den Ostberliner Theologen. Die Delegierten hatten offenbar die warnenden Worte des Kreuzberger Bürgermeisters Peter Strieder beherzigt, nicht die „sogenannte dogmatische Linke durch die pragmatische Linke“ zu ersetzen. Am Ende des Parteitages waren alle zufrieden. Die Berliner SPD war aus den Schlagzeilen heraus. Und die Parteilinke hatte im Geschäftsführenden Landesvorstand zwar Christof Tannert, der im Vorfeld auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte, einen Posten an den Parteirechten Hermann Borghorst aus Neukölln abgegeben. Immerhin aber konnte sie im siebenköpfigen Gremium mit Benneter, der wiedergewählten stellvertretenden Landesvorsitzenden Monika Buttgereit und dem Reinickendorfer Bürgermeister Detlef Dzembritzki den schleichenden Machtverlust verlangsamen. Severin Weiland