Perspektive Bahnunternehmer

■ Auf den Gleisen der Deutschen Bahn AG können seit 1. Juli auch andere Bahnfirmen verkehren

Berlin (taz) – Jetzt geht's los, ist man versucht zu sagen. Ab Freitag, dem 1. Juli, wollte die Deutsche Bahn AG ihre Strecken ganz offiziell auch anderen anbieten. Zwei dicke Handbücher sollten präsentiert werden, aus denen prospektive Bahnunternehmer erkennen können, was es beispielsweise kostet, von Montag bis Freitag jeweils um 8.15 Uhr mit der eigenen Lok und drei Hängern aus der westfälischen Kreisstadt Coesfeld ins 35 Kilometer entfernte westfälische Münster zu fahren. Und rund 150 Firmen hatten in den letzten Monaten Interesse an einer Trasse signalisiert.

Doch die Deutsche Bahn AG kommt verspätet. Die dicken Bücher sollen erst am Donnerstag vorgestellt werden. Bauchschmerzen macht das den Bahn-Verantwortlichen keine: „Es ist nicht so, daß der Teufel los wäre“, so Bahnsprecher Gerhard Scheubner am Freitag.

Auch beim Interessenten Müller-Milch aus dem Allgäu pressiert's nicht. Man prüfe zwar, ob beim Aufbau einer Logistik für die Müller-Zweigbetriebe in den neuen Ländern die Nutzung einer eigenen Bahn vielversprechend sei. Technische Probleme, wie das der sicheren Kühlung, seien noch zu klären. „So weit ist das noch nicht gediehen“, so ein Experte der Firma.

Ohnehin ist die Etablierung als Eisenbahn-Unternehmen an einigen bürokratischen Aufwand gebunden. Nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz muß ein solches Bahnunternehmen zuverlässig sein, über das nötige Kleingeld verfügen und auch fachkundig sein. Entsprechende Nachweise müssen gegenüber dem neugegründeten Eisenbahnbundesamt in Bonn erbracht werden. „Das ist die Behörde, die die Spielregeln vorgibt“, erklärt Manfred Pietschmann vom Regionalbüro der Deutschen Bahn in Essen.

Bei der neuen Behörde müssen die Wagen und die Lok zugelassen werden, wie bei einem TÜV. „Und natürlich muß der Lokführer Erfahrungen auf einer Lok der Art und auf solchen Strecken nachweisen“, weiß Pietschmann. Ob das neue Bahnunternehmen solche Lokführer bei seinem Unternehmen abwerbe oder lease, sei hingegen relativ egal.

Schließlich muß sich das neue Unternehmen mit dem Bereich Netz der Deutschen Bahn AG noch über die Kosten für die angepeilte Trasse einigen. Die Deutsche Bahn ist dabei verpflichtet, diskriminierungsfrei dem, der am meisten zahlt, die Trasse zu überlassen. Auf der Strecke Coesfeld- Münster würde ein Eisenbahnunternehmer vor allem mit den Bimmelzügen der Deutschen Bahn um die besten Zeiten konkurrieren müssen. Dabei gilt: Je mehr man fährt, desto größer die Chancen. „Wenn Sie jeden Tag einmal fahren, gibt's Rabatt“, erklärt Scheubner den Mechanismus. Abpfiff. Hermann-Josef Tenhagen