Eigentore werden mit dem Tod bestraft

■ Am Samstag morgen wurde der kolumbianische Fußballer Andrés Escobar in Medellin erschossen Ein Rundfunksender hatte für Niederlagen bei der WM Morddrohungen der Drogenmafia verbreitet

Berlin (taz) – Andrés Escobar hat sich geirrt: „Das Leben hört damit nicht auf“, hatte er nach seinem Fehler im Vorrundenspiel gegen die USA (1:2) bei der Fußball-Weltmeisterschaft den Fans zu Hause in Kolumbien in einem offenen Brief geschrieben. „Das ist für das Eigentor“, riefen seine Mörder, als sie ihn mit zwölf Schüssen am frühen Samstagmorgen vor einem Nachtlokal in Medellin niederstreckten. Zwei Verdächtige wurden festgenommen.

„Fußball ist nur ein Spiel, und es gibt keine Rechtfertigung dafür, Andrés zu töten“, meinte Nationaltrainer Francisco Maturana. Und Faustino Asprilla (25) verkündete nach der Ermordung seines Teamkollegen seinen Rücktritt: „Ich habe keine Lust, unter solchen Bedingungen weiter für Kolumbien zu spielen.“ Solche Bedingungen, das sind für ihn jene Medien, die „Revolver-Journalismus“ betreiben. Der Rundfunksender Caracol beispielsweise, in Besitz des Hauptsponsors der Nationalmannschaft, dem Bavaria- Konzern. In diesem Radiosender war behauptet worden, Spieler würden vom Drogenkartell von Medellin ermordet, wenn sie enttäuschten. „Es gibt für uns nichts Schlimmeres, als im Fußball gegen die USA zu verlieren“ oder: „Kolumbien hat sich vor der ganzen Welt lächerlich gemacht“, hetzten Zeitungen. Als die Kicker zurückkamen, mußten sie von Polizisten geschützt werden. Fußball, ein tödliches Spiel der Mafia? Beteiligt: das Kokain- Kartell von Medellin, das nach der Ermordung seines Bosses Pablo Escobar geschwächt schien, und das Cali-Kartell, das inzwischen rund 70 Prozent des Kokainhandels in den USA und Europa kontrolliert. Zum Cali-Kartell und seinen Chefs, den Gebrüdern Rodriguez, werden nicht nur der Nationalelf enge Verbindungen unterstellt. Auch Staatspräsident Ernesto Samper belasten Telefonmitschnitte, er habe seinen Wahlkampf durch Gelder der Cali-Mafia finanziert. Ferner dabei: Glücksspieler. Der illegale Wettmarkt bewegt jetzt zu WM-Zeiten in Kolumbien mehrere hundert Millionen, meist Drogen-Dollars. Seiten 2 und 10