“Ein Jahrzehnt knappster Finanzmittel“

■ Finanzsenator Runde: Alle schlimmen Erwartungen sind eingetroffen

Wenn sich der Hamburger Senat am kommenden Dienstag zu seiner dreitägigen Haushaltsklausur in Sachen Stadtetat 1995 zurückzieht, ist der Tisch mit der schlimmsten Finanzkrise der Nachkriegszeit gedeckt: 1,7 Milliarden Mark fehlen allein im Betriebshaushalt (Personal- und Sachausgaben ohne Investitionen). Dieses Loch von 10 Prozent der gesamten Stadtausgaben wird durch die geplante Verschuldung für ein Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Mark nochmals verdoppelt.

Finanzsenator Ortwin Runde: „Ich hatte mich bei meinem Amtsantritt vor sieben Monaten mit klammheimlicher Hoffnung gefragt: Kommt es wirklich so schlimm? Heute muß ich sagen: Es kommt so schlimm.“ Der Aufschwung, eh schwächer, als von Kohl&Co herbeigeredet, ist an den Steuereinnahmen folgenlos vorbeigegangen. Runde warnt: „Wir stehen vor einem Jahrzehnt knappster öffentlicher Mittel. Unseren Begriff von Staat müssen wir neu definieren.“

Dennoch notiert Runde stolz: „Wir werden unser Konsolidierungsprogramm durchziehen.“ Für den Haushalt 1995 bedeutet das die Einsparung von 400 Millionen Mark, davon 50 Mio. beim Personal, 150. Mio. bei öffentlichen Unternehmen (HVV!) und 200 Mio. bei den Sachausgaben. Runde sieht das Senatskollegium voll auf Sparkurs: „Wir haben neue Spielregeln eingeführt und die sind inzwischen akzeptiert.“ Statt selbst Sparvorschläge zu machen, spielt Runde den „Schiedsrichter“: Er gibt die Regeln vor (Finanztöpfe und Sparquoten), und „pfeift nur, wenn einer Foul spielt“. Mit fiesen Tricks und verstecktem Hinlangen, so Runde optimistisch, käme man an ihm nicht mehr vorbei. Vor einigen Monaten noch, so räumt er ein, „hatte ich Zweifel, ob wir es schaffen“. Jetzt jedoch zeigten sich die SenatskollegInnen „erstaunlich ko-operativ“. Wie mehrfach berichtet, will Runde durch eine anwachsendes jährliches Sparprogramm bis 1997 den Betriebshaushalt um 800 Mio. entlasten. Gelingt dies, so bleibt freilich immer noch ein beispielloses Loch von knapp 3 Milliarden Mark in den nächsten drei Jahren. Allein 1995 gähnt eine Lücke von 1,3 Mrd. (1,7 Mrd minus Sparerfolg von 400 Mio.).

Runde kündigte an, alle Register zu ziehen: Kredite zur Deckung der Betriebsausgaben (verfassungs- und finanzrechtlich hochproblematisch), der Verkauf städtischer Gebäude, Grundstücke und Unternehmen (macht die Stadt ärmer, senkt in den Folgejahren ihre Einnahmen) und die Herabsetzung der Eigenkapitalausstattung städtischer Unternehmen stehen auf dem Spielplan. Mit der Kombination von Notschlachtung und „ehrgeizigem Konsolidierungsprogramm“ hofft Runde den Stadthaushalt bis 1997 in ruhigeres Fahrwasser lenken zu können. Dies freilich, so weiß Runde, funktioniert nur, wenn Konjunktur und Steuereinnahmen wirklich anschwellen. fm

(Siehe auch Kommentar und nebenstehenden Bericht)