Asbest kein Grund für Palast-Abriß

■ Asbestsachverständige weisen neue und preiswerte Wege zur Rettung des Palastes der Republik / ICC wird saniert

„Der asbestverseuchte Palast der Republik ist sanierungsfähig.“ Es sei zwar problematisch, das gewaltige Volumen von 720 Tonnen Spritzasbest aus den Stahlträgern und Lüftungsschächten zu entfernen, sagte der Bauingenieur Rainer Tepasse gestern auf der Fachtagung zur Asbestsanierung im ICC: Ein Abriß des seit 1990 geschlossenen Gebäudes aber leite sich daraus nicht ab. Vielmehr komme es darauf an, ein neues Nutzungskonzept festzulegen und „alle bekannten Asbestsanierungsmethoden zu prüfen“. Ebenso wie Tepasse plädierte auch Hans Joseph Boos, Referent im Bundesbauministerium, dafür, den Abrißbeschluß des Gemeinsamen Ausschusses Berlin/Bonn „neu zu überdenken“. Zusätzlich zur „Sanierungsvariante I“ (Entfernen aller asbesthaltigen Baustoffe) sollten alle weiteren Möglichkeiten — wie etwa das Beschichten — in Betracht gezogen werden. Diese Methode soll beim asbestbelasteten ICC Anwendung finden, wie Christoph Fischer, Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH, darlegte. Die Sanierung des Kongreß-Schlachtschiffes werde im Juli und August dieses Jahres vorgenommen.

Dem Palast der Republik könnten alternative Sanierungsmethoden helfen, die bis zu 25 Prozent billiger sind als traditionelle Sanierungskonzepte. Gegenüber der herkömmlichen Entsorgung von Asbest erlaube beispielsweise das „Penetrationsverfahren“, auf Unterdruck zu verzichten, der die schädlichen Fasern nicht aus dem Gebäude entweichen läßt, sagte der Ingenieur Tom Alexander. Beim Abbau von Spritzasbest werde ein Faserbindemittel auf deren Oberfläche gespritzt. „Das Freiwerden der Asbestfasern wird dadurch verhindert.“ Einen weiteren Vorteil der „Penetrationsmethode“ bildet die Entsorgung: Der Spritzasbest werde dabei unter Zugabe von Bindemitteln zu einer homogenen Paste verarbeitet. Der Asbest werde zu Formen gepreßt und getrocknet. Die sogenannten „Preßlinge“ könnten dann ohne Verpackung auf einer Deponie gelagert werden.

Die neue Sanierungsmethode ist das Ergebnis eines zweijährigen Modellprojektes „Emser Straße“ der Senatsbauverwaltung. Das asbestversuchte Mittelstufenzentrum in der Emser Straße sollte exemplarisch andere wirtschaftliche Wege bei der Asbestsanierung kontaminierter Bauten weisen. In Berlin sind besonders die Bauvorhaben der 60er und 70er Jahre davon betroffen. Darunter auch die moderne Innengestaltung des Reichstagsgebäudes. Die angeblich kostengünstigere „Penetrationsmethode“ beinhaltet jedoch zahlreiche Unbekannte. Problem: Die aufzutragende Flüssigkeit enthält „gesundheitsschädliche Bindemittel, die ebenso gefährlich wie Asbest sind“, warnte der FU-Mediziner Gustav Schäcke. Rolf Lautenschläger