: Südafrika ist auf dem Weg zu einer neuen Regionalmacht
■ Eine fast zwangsläufige Entwicklung, auch wenn Präsident Mandela sich noch ziert / Expansion auf allen Sektoren
Johannesburg (taz) – Im Plenarsaal der Vereinten Nationen in New York ist Südafrika nach Jahrzehnten des Ausschlusses wieder als vollberechtigtes Mitglied vertreten. Die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU), üblicherweise nicht die flinkeste, öffnete ihre Tore noch schneller für das einst wegen der Apartheid verfemte Land. Doch seit der Rückkehr in die internationale Arena muß Staatspräsident Nelson Mandela sich wehren, vereinnahmt zu werden. „Die ganze Welt sieht in uns einen Weihnachtsmann für Afrika“, sagt Eugene Nyati vom „Center for African Studies“ in Johannesburg, „aber es gibt zuviel in Südafrika selbst zu tun. Präsident Mandela darf sich nicht auf die Versuche einlassen, ihn überall als Friedensstifter einzuladen.“
Doch das ist leichter gesagt als getan. Zwar wiederholte auch Südafrikas erstes schwarzes Staatsoberhaupt am vergangenen Freitag gegenüber der Pariser Tageszeitung Le Monde: „Es ist falsch, zu erwarten, daß ein Individuum Afrikas Probleme lösen kann.“ Die OAU, wegen ausstehender Beiträge der nicht minder bankrotten Mitgliedsstaaten ohnehin permanent pleite, frohlockte angesichts der pünktlich überwiesenen Gelder aus Südafrika. Mandela mag erklären: „Ich sehe mich als Teil eines Teams, das gemeinsam nach Lösungen sucht.“ Aber wer im Gegensatz zu anderen zahlen kann, besitzt bei Entscheidungen auch mehr Gewicht.
Morgen wird Südafrika einen weiteren Schritt auf dem Weg zur afrikanischen Regional- und Ordnungsmacht vollziehen. Mosambiks Präsident Joaquin Chissano, Angolas Staatsoberhaupt Eduardo dos Santos und der international verfemte Präsident Sese Seko Mobutu aus Zaire, ein enger Freund von Jonas Savimbi, dem Chef der angolanischen Unita-Rebellen, werden in Pretoria mit Nelson Mandela zusammentreffen. Thema des Gipfels: eine Beendigung des Krieges in Angola.
Das US-Blatt Washington Post appellierte jüngst in einem Kommentar, Südafrika solle von der UNO als Ordnungsmacht in Afrika genutzt werden. Südafrikanische Truppen seien im Gegensatz zu US-Truppen besser geeignet, auf dem Kontinent Frieden zu stiften. Der Politikwissenschaftler Eugene Nyati hält für solche Ideen abfällige Bemerkungen bereit: „Die versuchen, die ganze Problematik nur auf uns abzuwälzen.“
Südafrikas Militärs wären solchen internationalen Einsätzen nicht völlig abgeneigt. In den 70er und 80er Jahren griffen sie in Mosambik und Angola ein, um dort die linksgerichteten Regierungen zu stürzen oder zu destabilisieren. Schon vor zwei Jahren hieß es in einer offiziellen Broschüre: „Südafrikas Streitkräfte sind bereit, eine regionale Rolle der Friedenssicherung zu spielen.“ Letztendlich würde damit auch die Zukunft der Militärs am Kap abgesichert. 50 gepanzerte Truppentransporter für UN-Truppen sollen vom Kap schon nach Ruanda geschickt werden. Dort werden sie unter anderem als Schutz gegen aus Südafrika stammende Waffen von Ruandas Regierungsstreitkräften dienen.
Der florierende Export der südafrikanischen Rüstungsindustrie wird Pretoria ebenfalls nahezu zwangsläufig eine gewichtige Rolle als Ordnungs- und Regionalmacht einhandeln. Nach dem Ende des UN-Waffenembargos freute sich der Rüstungskonzern Amrscor bereits, daß nun die Ausfuhren verdoppelt werden könnten. Der natürlichste Markt: Afrika. Denn Südafrika verfügt über eine klimatisch angepaßte und ausgefeilte Technik der Vernichtung.
Präsident Nelson Mandela fand bisher keine Einwände gegen solche Verkäufe. „Jedes Land“, so argumentierte er unlängst, „besitzt das Recht, sich zu verteidigen und dafür Waffen zu erstehen.“ Die Ergebnisse einer solchen Politik kann Mandela bei den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich beobachten. Sie setzen ihre Rüstungsexporte unverblümt für politische Ziele in Afrika ein. Gestern traf auch der französische Präsident François Mitterrand am Kap ein. Er wird bei seinem Besuch unter anderem die französischen Interessen auf dem Kontinent erläutern.
Auf dem wirtschaftlichen Sektor betreibt der staatliche Stromkonzern Eskom bereits unverblümt die Expansion nach Afrika. Kapitalstark wie keine andere Elekrtrizitätsgesellschaft auf dem Kontinent, träumen die Manager von einem Stromverbundnetz, das einmal bis nördlich des Äquators reichen soll.
Doch auch dies stellt mit dem Ende der politischen Isolierung eine fast zwangsläufige Entwicklung dar. Denn Südafrikas Wirtschaft befindet sich zwar in der Krise und vernachlässigte zu Apartheid-Zeiten sträflich die Belange von 30 der 40 Millionen EinwohnerInnen des Landes – aber das Land besitzt dennoch die leistungsfähigste Ökonomie südlich der Sahara und wird deshalb auch auf diesem Gebiet eine immer bedeutendere Rolle in Afrika spielen. Willi Germund
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen