Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

■ Leiter der norddeutschen Adoptionsstelle moniert Handel mit Roma-Babys Von Kai von Appen

Verkaufen in Norddeutschland Roma-Mütter ihre Säuglinge an Kinderhändler, die die Sprößlinge wiederum an deutsche Eltern weiterverschachern? Derartige Behauptungen haben gestern für Wirbel gesorgt. Nach Angaben des Leiters der zentralen Adoptionsstelle der vier norddeutschen Länder, Rolf Bach, würden immer mehr kriminelle „Zwischenhändler“ versuchen, aus dem unerfüllten Kinderwunsch deutscher Familien Kapital zu schlagen. Seit mehr als einem Jahr, so Bach gegenüber der Deutschen Presseagentur, häuften sich die Fälle, in denen in Deutschland lebende Roma ihre Kinder – meist über einen kommerziellen Mittelsmann – verkaufen. Gezahlt würden Preise zwischen 10.000 und 20.000 Mark.

Pro Monat gibt es nach Angaben Bachs allein in Norddeutschland mindestens einen Fall, der an die Öffentlichkeit gelangt. Wie hoch die Dunkelziffer sei, könne niemand sagen. Vor allem finanzielle Not treibe Roma-Familien dazu, Babys zum Kauf anzubieten. Während die Elternpaare straffrei blieben, drohten den „kommerziellen Zwischenhändlern“ Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. Die „Übergaben“ seien dabei oft raffiniert eingefädelt. So begleiteten die „neuen“ Eltern die leibliche Mutter zum Beispiel nach Holland zur Geburt, wo sie eine Geburtsurkunde für das Kind erhalten könnten.

Der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, bestreitet die Darstellung. Bagger: „Uns liegt nicht ein Fall vor, der zur Anzeige gelangt ist.“ Nach Angaben Baggers seien derartige Praktiken zwar nicht unbekannt und eine „Sauerei“, es sei aber fraglich, ob überhaupt eine Straftat vorliege. Bagger: „Wenn die Mutter das Kind freiwillig weggibt, und das Kind es anschließend gut hat, entfallen sämtliche Folgetatbestände.“ Lediglich wenn professionelle „Schlepperbanden“ den Müttern durch List und Knebelverträge die Kinder gewaltsam wegnähmen, seien Straftatbestände erfüllt, die ein Einschreiten der Justiz möglich machten.

In der Tat könnte sich der Handel mit Kindern schnell zu einem lukrativen Geschäft entwicklen. Nach den Worten Bachs warten derzeit in Deutschland etwa 20.000 Paare oder Einzelpersonen auf ein Adoptivkind. Pro Jahr könnten aber nur rund 3000 Kinder offiziell vermittelt werden, etwa 1000 von ihnen kämen aus dem Ausland – auch aus Südosteuropa. Vielen Eltern bleibe der Wunsch nach einer Säuglingsadoption wegen der peniblen Kriterien der Jugendämter gänzlich versagt.

Fälle von Kinderhandel häufen sich in Westeuropa seit Mitte der 80er Jahre. Zuletzt flog 1991 in Berlin die mafiaähnlich organisierte Bande eines Rumänen nach der spektakulären Entführung von Asylbewerberkindern auf. Von 1990 bis 1992 sollen allein rund 15.000 rumänische Kinder an deutsche Paare verkauft worden sein.