Voscherau fährt Transrapid ... ... nach Bonn?

■ Senat entscheidet, daß Hamburg den Magnetschweber braucht ... ... und ignoriert damit den SPD-Parteitag und die SPD-Fraktion

Dementis haben Konjunktur in diesen Tagen: „Es gibt keine Krise im Hamburger Regierungsbündnis.“ „Rotgrün ist für diese Legislaturperiode abgehakt.“ „Voscherau wird nicht demontiert.“ Besonders eifrige Solisten im Solidaritäts-Chor: Sozialdemokraten, denen nicht nur wegen der innerparteilichen Transrapid-Kontroverse der Ruf vorauseilt, daß sie nicht sonderlich unglücklich wären, wenn das Gegenteil einträfe.

Aber wie das so ist mit Dementis: Je häufiger und eindringlicher man sie äußert, desto weniger werden sie beachtet. „Voscherau in Gefahr“ titelte in der vergangenen Woche die Morgenpost, und die Kollegen von Bild sahen einmal mehr das „Signal auf rotgrün“ springen und baten den Senatschef dringend, die Alarmglocken nicht zu überhören.

Wie sollte er denn! Ein halbes Jahr nach Bildung der Koalition zwischen SPD und Statt Partei hatte auch Voscherau längst gemerkt, daß sein rotgraues Bündnis sich für Hamburgs Sozialdemokratie als wenig zukunftsträchtig erweist. Einstige Stammwähler – siehe Europawahl – verflüchtigen sich je zur Hälfte in Richtung CDU und GAL und lassen eine SPD zurück, in der sich immer weniger Funktionäre mit dem vom Bürgermeister vorgestanzten Polit-Kurs abfinden mögen.

Böse Ahnungen hatten Voscherau schon früh beschlichen. Auf die Frage, wie lange er noch Bürgermeister bleiben werde, antwortete Voscherau gleich nach dem Scheitern der rotgrünen Koalitionsverhandlungen, sein Ziel rotgrau endlich vor Augen: „Das kann man nicht prophezeien. Das hängt ab von der Seelenlage der Hamburger SPD nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen durch die GAL ab. Es hängt auch von der Seelenlage der SPD-Bürgerschaftsfraktion ab. Diese Frage werde ich erst beantworten können, wenn die emotionalen Auswirkungen des gestrigen Schritts der GAL auf die SPD sicher abgeschätzt werden können.“

Dann man tau. Die Seelenlage der SPD-Bürgerschaftsfraktion dürfte inzwischen genau so sicher abzuschätzen sein wie diejenige der Partei. Weder hier noch dort verfügt Voscherau noch über Mehrheiten für seine konservativen Polit-Strategien. Der Transrapid wird zum Menetekel: Voscheraus gestern zur offiziellen Senatslinie erklärte Zustimmung zu der Geisterbahn wird zwar von der oppositionellen CDU und deren Ableger Statt Partei getragen. Nicht aber von den SPD-Parlamentariern, deren Fraktionschef Günter Elste alle Hände voll zu tun hat, die inhaltlichen und ideologischen Differenzen der roten Bürgerschaftsriege einigermaßen zu übertünchen.

Gelingt es schon in der einst bis zur Selbstaufgabe dem Bürgermeister treuen Fraktion nicht mehr, Voscherau-Mehrheiten zuverlässig zu organisieren, kann der Senatschef in seiner Partei noch nicht mal auf eine qualifizierte Minderheit bauen. Gerade mal 20 Prozent stellten sich bei einem Parteitag im April noch hinter den Bürgermeister.

Voscherau ist sich seiner Lage durchaus bewußt: Wer den hageren Senatschef bei der Transrapid-Debatte in der vergangenen Woche durch den Plenarsaal der Bürgerschaft streifen sah – die Hände in den Jackettaschen vergraben, die Zahnreihen fest aufeinandergedrückt, den Unmut über seine Fraktion, über die Statt-Fraktion, über die Welt und überhaupt nur mühsam gezügelt – der konnte sich des Eindrucks kaum erwehren, daß dieser angeschlagene Tiger sich nur allzu gerne auf und davon machen würde.

Er wird noch etwas aushalten müssen. Sommerpause, Bundestagswahlen und die möglichst mit dem richtigen Ergebnis – Angebote für die zweite Reihe in rotgrünen oder auch rotschwarzen Bonner Ministerriegen, so wird's zumindest kolportiert, lägen dem gelernten Notar bereits vor.

Wundert es da, daß potentielle Voscherau-Nachfolger sich allmählich zurechtrücken, respektive zurechtgerückt werden? Wundert es da, daß mögliche Ansprüche eilfertigst zurückgewiesen werden? Man könnte sich ja als Königsmörder verdächtig machen. Nein: Ortwin Runde, Günter Elste, Jörg Kuhbier, sie alle wollen natürlich nie im Leben Bürgermeister werden. Nie im Leben!

Aber wie das nunmal so ist mit Dementis ....

Uli Exner