Team statt Kommandowirtschaft

■ Studie: Eigenverantwortung macht Betriebe wettbewerbsfähig

Befehl und Gehorsam haben in der deutschen Industrie ausgedient. Wer in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, muß auf Teamarbeit und Eigenverantwortung setzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Göttinger Wissenschaftlern, die vier Jahre lang 50 Werke von über 30 Unternehmen mit insgesamt fast 100 000 Beschäftigten unter die Lupe genommen haben. Nach 18 Monaten zusätzlicher Auswertungsarbeit legten die Experten vom Soziologischen Forschungsinstitut der Universität Göttingen (SOFI) nun ihre Resultate vor. Die Schlußfolgerungen für die Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland sind für die Wissenschaftler keine Überraschung.

„Wir haben diese Thesen schon vor zehn Jahren nach einer ähnlichen Untersuchung aufgestellt“, erläutert Michael Schumann, geschäftsführender Direktor des SOFI. Damals sei die schmale Datenbasis kritisiert worden, weil nur Musterbetriebe untersucht wurden. Die neue Studie – vom Bonner Forschungsministerium mit rund 1,6 Millionen Mark gefördert – berücksichtige auf breiter Basis Werke aus der Automobilindustrie, dem Werkzeugmaschinenbau und der chemischen Industrie. „Wir können mit Fug und Recht von empirischen Beweisen sprechen“, ist Schumann überzeugt.

Im Zentrum der zukünftigen Industrieproduktion steht nach Meinung Schumanns der „Systemregulierer“, meist ein Facharbeiter, der eigenständig oder im Team „selbständig Qualitätsprüfung, Instandhaltung und Wartung sowie Planungs- und Optimierungsaufgaben übernimmt“. Das japanische Modell der Gruppenarbeit, das zum Beispiel Opel in Eisenach ausprobierte, sei völlig ungeeignet für Deutschland, weil es Hierachien zementiere. Gewählte oder eingesetzte Gruppensprecher spielten die Rolle von „Hilfssheriffs“ der Meister.

Schumanns Konzept der eigenverantwortlichen Teamarbeit geht aber über die Gruppe der gut ausgebildeten Arbeitskräfte hinaus. Denn „die überwältigende Mehrheit der Arbeitnehmer in der Industrie gehört noch zu den oft weniger gut ausgebildeten ,Handarbeitern'“, sagt der Wissenschaftler. Ihre Qualifikation müsse erweitert werden, um höhere Produktivität und Effizienz zu erzielen. So könnten nach Ansicht Schumanns die Arbeitsplätze dieser Menschen zumindest zu einem großen Teil erhalten bleiben.

Der „Meister“ werde in Zukunft keineswegs überflüssig. Seine Arbeit werde sich jedoch verändern. „Wir müssen vermeiden, daß die Arbeitsgruppen entmündigt werden“, verdeutlicht Schumann. Dazu gehöre, daß sie nicht mehr stündlich kontrolliert würden. Die Arbeiter sollten sich als Mitspieler in einem Rationalisierungsprozeß verstehen, der ihre Arbeitsplätze nicht überflüssig mache, sondern sinnvoll nutze.

Ein Hindernis für die Umsetzung der Göttinger Vorschläge könnten die höheren Etagen der Unternehmen sein. Denn die Verantwortung, die zunehmend auf die Arbeitnehmer übertragen werden soll, müsse von dort genommen werden. „Das Management ist in erster Linie gefordert, wenn es darum geht, alte Machtstrukturen aufzubrechen und neue Formen der Zusammenarbeit zu finden. Die Arbeitnehmer sind seit den 80er Jahren durch die hervorragende Ausbildung im industriellen Bereich auf die neuen Anforderungen vorbereitet“, stellt Schumann fest. Für die vom SOFI vertretene Form der Rationalisierung gebe es bereits funktionierende Modelle.

(Diese sind mit den Ergebnissen der Studie im „Trendreport Rationalisierung“ in der „edition sigma“ des Rainer Bohn-Verlags, Berlin, veröffentlicht).

Justus Demmer, dpa