Männer und Technik

■ Ein seltsames Paar: Zawinul und Gurtu spielten im KITO mit- und gegeneinander

Der eine thronte über seinen Tastaturen, Reglern und Pedalen, der andere hockte fast in gleicher Höhe mit seinen Trommeln, Becken, Gongs und Tablas. Und so gegensätzlich, wie sie sich auf der Bühne präsentierten, klangen Joe Zawinul und Trilok Gurtu dann auch: Ein extrem auf die Technologie fixierter Musiker traf auf einen sehr organisch, erdverbunden spielenden Kollegen. Gemeinsamen ist ihnen , daß sie mit immer neuen Verzierungen, Schnörkeln und Klangfarben ziserlieren ihre Musik bis sie fast überladen wirkt – diese gemeinsame Vorliebe macht die beiden zu interessanten Dialogpartnern.

Aber wenn einer thront und der andere hockt ist es schwierig, gleichberechtigt miteinander zu kommunizieren und so übertönte Joe Zawinul mit seiner grandiosen Soundmaschine den viel bescheidener und subtiler spielenden Gurtu. Dieser schien immer nur zu reagieren, manchmal nahm Gurtu eines seiner abenteuerlichen Percussionsintrumente nur in die Hand um es gleich wieder wegzulegen, weil ihm Zawinul einfach nicht zum Zuge kommen ließ. Stattdessen trommelte Gurtu viel öfter als sonst auf seinem Mini-Drumset – dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Und weil Zawinul selber viele Rhythmuspatterns und Perkussionssamples vom Computer abspielen ließ, kam manchmal der Verdacht auf, daß er in einem Soloprogramm fast genauso gespielt hätte. Für seine Soloeinlage im indischen rhythmischen Sprechgesang mußte Gurtu den Tontechniker demütig bitten, doch Zawinuls schon angelaufene Tonbandeinspielung wieder abzustellen – solche Mißverständnisse gab es öfter in diesem Konzert.

Einiges klappte aber auch sehr schön: etwa das ironische Zwiegespräch zwischen Gurtus Tablas und Zawinuls wie ein afrikanisches Daumenklavier programmiertem Syntesizer oder eine ganz neu und frisch klingende Version von „Scarlet Woman“ – Zawinuls altem Stück aus „Weather Report“ Zeiten. Es war auch durchaus aufregend zu erleben, mit welcher Virtuosität und Finesse Zawinul an seinen Keyboards zaubert. Weil gerade der 4. Juli war flocht er mal eben aus dem Handgelenk die amerikanische Nationalhymne in eines seiner Stücke ein.

Aber man spürte auch deutlich, daß sich Zawinul mit seiner Egomanie und Technikbesessenheit in eine Sackgasse verrannt hat. Chick Corea und Herbie Hancock, mit denen er lange so etwas wie ein Triumvirat der Keyboarder bildete, sind zu Jazzstars geworden, während Zawinul heute kaum anders klingt als vor zehn Jahren und das KITO gerade mal zu drei Viertel füllt.

Vor einigen Monaten war Trilok Gurtu an gleicher Stelle mit seinem Trio viel lockerer gewesen – hatte mit dem Publikum geredet und viel beim spielen gelacht. Jetzt wirkten die beiden wirkten auf der Bühne fast so angestrengt und abgeschottet wie in einem Studio. So war es nur konsequent, daß sie sich trotz eifrigstem Applaus zu keiner Zugabe erweichen ließen – richtig wohl fühlten sich wohl beide nicht in ihrer Haut.

Willy Taub