Einerseits Natur und Frau?

■ Evelyn Fox Keller – Amerikanische Physikerin und eine der führenden feministischen Wissenschaftskritikerinnen zu Gast in Bremen

Die Frauenforschung als festen Bestandteil des universitären Alltags zu etablieren, verlangt auch von den etwa zwanzig Wissenschaftlerinnen, die sich in Bremen darum bemühen, einen langen Atem. Zwar existiert seit 1986 die „WE (Wissenschaftliche Einheit) Frauenforschung“, doch die Quote der Professorinnen, - und nur die haben ein Antragsrecht auf Foschungsprojekte -, liegt gemessen an der der Lehrenden noch immer weit unter 10 Prozent.

Immerhin wurde der Beschluß eines Expertinnenhearings, eine Stelle für feministische Naturwissenschaftsanalyse im Studiengang Biologie zu verankern, 1988 vom Akademischen Senat bewilligt, doch der Posten blieb bis heute vakant. Zum einen stieß das Konzept der Frauenforscherinnen lange auf den Widerstand der Herren Biologen, zum anderen, bedauert Soziologin und WE-Sprecherin Marlis Krüger, gibt es in Deutschland überhaupt erst wenige Frauen, die sich im Bereich Naturwissenschaften habilitiert haben. Folge: Die Stelle wurde für drei Jahre an die Informatik „verliehen“, in der Zwischenzeit versuchen Gastdozentinnen der großen Nachfrage nachzukommen, die von studentischer Seite aus am Thema „Frauen und Wissenschaft“ geäußert wird.

Seit gestern gastiert mit Professorin Evelyn Fox Keller vom Massachussetts Institute of Technologie (Cambridge) eine der weltweit renommiertesten Vertreterinnen auf dem Gebiet der feministischen Naturwissenschaftsanalyse und -kritik an der Bremer Universität. Die Physikerin, die in Harvard studierte, unter anderem in Berkeley lehrte und forschte, bietet vom 4. bis 15. Juli zusammen mit Professorin Marlis Krüger ein Blockseminar zum Thema „Feminism and Science“ an.

Das von Evelyn Fox Keller geschriebene und 1986 in Deutschland erschienene Buch „Liebe, Macht und Erkenntnis – Männliche und weibliche Wissenschaft“ sorgte für viel Aufsehen, denn die Autorin vertritt Positionen, die selbst in der feministischen Bewegung nicht unumstritten sind. „So wenig wie das Wesen des Mannes gibt es das Wesen der Frau“, lautet eine ihrer Hauptthesen. Sie kritisiert, woran so viele gern glauben möchten, nämlich daß Frauen, gesetzt den Fall, sie säßen in entsprechenden Positionen, eine andere Wissenschaft betreiben würden als Männer, eine Wissenschaft, die womöglich von einer Art Fürsorge für die Welt geprägt wäre. „Wissenschaflerinnen verstehen diesen Anspruch als die andere Seite derselben Zwangsjacke. Entweder werden sie als Frauen oder als Wissenschaflerinnen angegriffen.“

Es gebe, ergänzt Evelyn Fox Keller, ein einziges Argument, daß die These von einer friedlicheren, weil weiblichen Wissenschaft unterstützt: Frauen bekommen Kinder, kümmern sich um den Nachwuchs, was nahelegen könnte, daß sie mit einer größeren Verantwortung für die gesamte Umwelt agieren. Reicht indes die familiär geprägte Erfahrung als Quelle aus, um daraus eine Handlungsweise, eine politische Praxis im internationalen Kontext abzuleiten? Das bezweifelt die Wissenschaftlerin. Warum, fragt sie, sollten wir Frauen uns besonders um Fragen kümmern wie Kriege, Ungerechtigkeit, um ökologische Probleme, den grünen Planeten? „Die Forderung geht auf die Annahme eines bestimmten Begriffs von Frau und Natur zurück. Aber Natur ist nicht Frau. Warum also sollten wir uns besonders darum sorgen? Wir tun es, aber eben nicht als Frauen.“

Die Feministin definiert Geschlecht als sozial konstruierte, also veränderbare Kategorie. Die damit verbundenen Implikationen sollten Gegenstand einer feministischen Wissenschaftsanalyse sein, ob nun die Prämissen der Geistes- oder die der scheinbar nach objektiven Kriterien geordneten Naturwissenschaften untersucht werden. Evelyn Fox Keller: „Jede Wissenschaft muß verstanden in ihrem jeweiligen sozialen und kulturellen Kontext, wovon die nach Geschlechtern getrennte Welt nur ein Teil ist.“ Heute um 17 Uhr (Gebäude NW I, Raum W 0020) hält Evelyn Fox Keller einen Gastvortrag zum Thema „The Problem of Nature in Feminist Studies of Science“

dah