Jericho begrüßt Arafat mit einem Fest

Begeisterter Empfang in der palästinensischen Autonomie-Enklave / Der PLO-Chef vereidigte gestern seine „Minister“ / Nächtliche Straßenblockaden von israelischen Siedlern  ■ Aus Jericho Karim El-Gawhary

Er kam vom Himmel und wirkte müde. PLO-Chef Jassir Arafat feierte nach seiner Landung seinen ersten Einzug in die palästinensische Selbstverwaltungsenklave Jericho. Nach einer kurzen Rede schwor Arafat in einer Zeremonie die ersten zwölf „Minister“ seines „Kabinetts“ ein, bevor er sich wieder auf den Weg nach Gaza begab, von wo aus er heute zu einer Konferenz der Geldgeberländer nach Paris aufbrechen wird.

„Der Kampf muß fortgesetzt werden, bis wir einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt gründen“, erklärte Arafat in seiner ersten Ansprache im palästinensischen Westjordanland. Arafat beendete damit Spekulationen in der israelischen Presse, die von der Möglichkeit sprach, daß der PLO-Chef den politischen Anspruch der Palästinenser auf Jerusalem aufgegeben haben könnte, nachdem Arafat in den ersten Reden nach seiner Ankunft in Gaza nur davon gesprochen hatte, daß die Palästinenser „in Zukunft in Jerusalem beten werden“.

Die immer noch in israelischen Gefängnissen festgehaltenen Palästinenser forderte er zur Geduld auf und lehnte jegliches Feilschen um die Frage der Gefangenen ab. Als erstes verlangte er die sofortige Freilassung seines „Freundes und Bruders“ Scheich Jassin, des spirituellen Führers der islamistischen Hamas-Bewegung. Wie zuvor in seiner Rede im Gazastreifen forderte er die Palästinenser erneut zur Einigkeit auf.

Die Rede wurde immer wieder von der Menge unterbrochen, die versuchte, gegen den Widerstand der Polizei zur Bühne zu drängen. Die Szene erinnerte eher an ein Rockkonzert als an eine politische Rede. Ein erschöpfter Arafat mußte immer wieder pausieren und von neuem ansetzen.

Trotz des Gedränges in den vorderen Reihen waren nur einige tausend Menschen erschienen. Die erwartete Massenzusammenkunft von mehreren Hunderttausenden in der Westbank lebenden Palästinensern blieb aus. Vor allem die Straßenblockaden der Zufahrtsstraßen nach Jericho durch wütende Siedler scheinen viele Palästinenser vom Besuch ihres „Präsidenten“ abgeschreckt zu haben. Nach Angaben der Siedler sollen 19 solcher Straßensperren errichtet worden sein, die später zum Teil von der Armee geräumt wurden. Vertreter der Siedler äußerten anschließend ihre Zufriedenheit darüber, daß es ihnen gelungen sei, viele Palästinenser von einem Besuch in Jericho abzuhalten.

Am Vortage hatten einige der Einwohner der israelischen Siedlung Male Adomim Arafat den Tod gewünscht. „Man sollte ihn am nächsten Laternenpfahl aufhängen“, erhitzte sich ein Besitzer eines dortigen Lebensmittelladens. Von derartigen Drohungen unbehelligt kam Arafat an Bord eines ägyptischen Hubschraubers in Jericho an. Er wurde dabei von einem Helikopter der israelischen Armee eskortiert.

Auch die Verlegung der Bühne vom Hauptplatz Jerichos zu einer Stelle außerhalb des Ortes sorgte am Morgen für Konfusion. Seit Wochen hatten sich Dutzende von Kamerateams auf den Dächern rund um das Zentrum Jerichos aufgebaut und dafür Tausende von Dollars gezahlt, in der Erwartung, daß Arafat dort sprechen wird.

In der Nacht vor Arafats Ankunft toste in der relativ wohlhabenden Oasenstadt mit ihren 15.000 Einwohnern ein riesiges, schon seit langem vorbereitetes Volksfest mit Tanz- und Theatergruppen, Ständen mit Eis und allem möglichen Eßbaren. Fast 2.000 JournalistInnen aus aller Welt sorgten für das notwendige internationale Ambiente.

Unterdessen wurden die letzten palästinensischen Fähnchen mit dem Bild Arafats angebracht und das Feuerwehrauto der Gemeinde auf Hochglanz gebracht. Die Trommelgruppe der Pfadfinder übte die letzten Takte für ihren Auftritt. Ein Schneider legte an der Uniform eines Polizisten für den großen Tag letzte Hand an, während dieser in Unterhosen, aber mit zwei Sternen auf der Schulter etwas verschämt dem nächsten Tag entgegensah. Das nächtliche Fest wurde unmittelbar nach Arafats Rede fortgesetzt. „Wir haben so lange von seinem Kommen geträumt, daß wir es jetzt fast nicht glauben können“, beschreibt Iyad Muhammad in einem der Straßencafés der Stadt seine Freude. Er hat vier Jahre lang im israelischen Gefängnis gesessen und wurde unmittelbar nach dem Osloer Abkommen im letzten September freigelassen. Am Tag zuvor war er aus Anlaß von Arafats Ankunft aus der Westbank-Stadt Ramallah nach Jericho gekommen. „Das Abkommen ist nun einmal das beste, was wir bekommen konnten“, meint er, obgleich er sich mit vielen anderen im Gefängnis mehr erhofft hatte. Er sieht den heutigen Tag als einen Neubeginn und erwartet, daß sich die israelische Armee innerhalb der nächsten Monate aus dem Rest der Westbank und seiner Heimatstadt Ramallah zurückzieht.

Ishag Hadad aus Jericho, ein Mitglied des „Palästinensischen Gesundheitsrates“ erklärte die mäßige Zuhörerschaft bei Arafats Rede auf seine Weise: „Die Menschen wollen eine Veränderung in ihrem täglichen Leben. Man muß den Menschen heute konkrete Gründe geben, wenn sie sich auf Arafat freuen sollen.“ Hadad macht vor allem die Geldgeberländer für die Stagnation verantwortlich, die ihre Versprechungen bisher nicht eingehalten hätten. Ein weiteres Zurückhalten der Gelder würde seiner Meinung nach den ganzen Friedensprozeß gefährden. „Außer, daß wir jetzt eine palästinensische Polizei haben und keine israelische Armee mehr durch Jericho fährt, hat sich wenig verändert“, klagt er.