Endzeit bei der „Neuen Zeit“

■ Die ostdeutsche Tageszeitung ist gestern zum letzten Mal erschienen

Berlin (dpa/taz) – Die Neue Zeit ist am Ende. Am Dienstag erschien die letzte Ausgabe der überregionalen Tageszeitung aus Berlin. Das Aus kam ohne Vorankündigung und über Nacht. Montag abend erfuhren die 190 Mitarbeiter des Blattes von der sofortigen Schließung. Die Entscheidung war in der Zentrale der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gefallen, der das zartblaue Presseerzeugnis endgültig zu teuer geworden war.

Die FAZ-Gruppe hatte die 1945 gegründete Neue Zeit – ehedem Zentralorgan der Ost-CDU – im Paket mit sechs weiteren lokalen CDU-Blättern kurz nach der Wende übernommen. Ein Engagement, das den Frankfurtern wirtschaftlich nicht gerade Freude machte. Das selbst schon angeschlagene Mutterhaus handelte sich mit den Ostgazetten Verluste in Höhe von 60 Millionen Mark ein. Auch die Neue Zeit schrieb rote Zahlen – insgesamt über 100 Millionen Mark. Nach der Wende sackte die Auflage von 130.000 auf 36.000 Exemplare ab. 1993 leistete sich die FAZ eine gründliche Renovierung des Blattes, das von da an auf blauem Papier erschien. Doch über die Erfolgschancen auf dem ostdeutschen Zeitungsmarkt machte man sich in Frankfurt schon lange keine Illusionen mehr: Die Geschäftsführung kalkulierte erst für 1998 das Erreichen der Gewinnschwelle.

Andererseits fällt die Einstellung der fünften überregionalen Tageszeitung in Ostdeutschland (nach Tribüne, Der Morgen, Berliner Allgemeine, Deutsches Landblatt) just in eine Zeit, da sich der Zeitungsmarkt gerade konsolidiert. Auch die Auflage der Neuen Zeit wies zuletzt mit 33.000 Exemplaren täglich einen leichten Aufwärtstrend auf. Chefredakteurin Monika Zimmermann bedauert denn auch den Zeitpunkt der Schließung: „Schade, wir waren auf dem aufsteigenden Ast.“ Gleichermaßen artig verabschiedete sich die Redaktion von ihren Lesern. Auf Seite eins der letzten Ausgabe heißt es edelmütig: „Wir wollten in ganz Deutschland ein Sprachrohr für die Sorgen der Menschen im Osten sein. Wir können stolz sagen, publizistisch ist uns das gelungen [...] was fehlte, war der wirtschaftliche Erfolg.“ Unerwartet moderate Töne angesichts der eigenen Abwicklung.

Unbestritten hatte die Neue Zeit ein gewisses Format. Das aufwendig produzierte Blatt verstand sich als eine bürgerliche Zeitung für den aufstrebenden ostdeutschen Mittelstand. In den letzten Jahren konnte die Redaktion für ihre Arbeit etliche Journalistenpreise einheimsen. Allein es blieb eine gewisse Langeweile, die einen bei der Lektüre des hübsch gesetzten Blattes anwehte. Als Tageszeitung ohne regionales Standbein blieb es für die Neue Zeit schwierig, neue LeserInnen zu finden.

Kleines Aperçu zum Schluß: Wer es noch mal drauf ankommen lassen will findet auf Seite 13 der letzten Ausgabe eine Einladung zum Probeabo: „Schicken Sie uns einfach den Coupon, und sie erhalten eine der ausgezeichnetsten Zeitungen Deutschlands.“ Na, das war's dann wohl gewesen. mum

Siehe Kommentar Seite 10