Erinnerung an Unbekannt

■ Eine Lübecker Schule erinnert ab heute mit ihrem Namen an drei jüdische Kinder, die 1942 erschossen wurden

Berlin (taz) – Für die SchülerInnen der Integrierten Gesamtschule Lübecks ist heute ein großer Tag. Die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, wird in das Burgkloster kommen und höchstselbst die Gesamtschule umtaufen. Ab heute wird sie den Namen „Geschwister-Prenski- Schule“ tragen. Einen Namen den bis vor wenigen Monaten niemand in Lübeck kannte, einen Namen, der in der Thomas-Mann-Literatur, den Willy-Brandt-Jugenderinnerungen oder in den sonstigen Quellen über berühmte Söhne und Töchter der Hansestadt nicht zu finden ist.

Sie haben auch keine sichtbaren Spuren hinterlassen, die drei Geschwister Prenski, sie waren nichts als drei Kinder, die erschossen wurden, weil sie jüdisch waren. Max mit 17 Jahren, Martin mit 12 Jahren und Margot Prenski mit 11 Jahren. Alle drei zwischen Februar und März 1942, nach ihrer Deportation aus Lübeck, irgendwo im Wald von Biekerniki bei Riga in Lettland.

Es ist sehr selten, daß in Deutschland öffentliche Einrichtungen die Namen von durch Nazis ermordeten Menschen tragen. Und einmalig ist, daß sich in Lübeck eine Gruppe von 15jährigen SchülerInnen auf die Spurensuche begab und dann die Umbenennung ihrer Schule durchsetzte. Es begann vor anderthalb Jahren mit einem schlichten Projektauftrag an 16 SchülerInnen der 8. und 9. Klasse. Sie sollten die Lebensgeschichte von einem Lübecker Kind rekonstruieren, daß von den Nazis verfolgt worden war. Auf einer Liste der 1941 nach Riga deportierten Kinder fanden sie den Namen Prenski gleich dreimal. Und in monatelanger Arbeit gelang es ihnen, ihr kurzes Leben nachzuvollziehen.

Heraus kam die Geschichte einer armen Familie, die 1925 aus Polen emigrierte und in Lübeck hängenblieb. Der Vater handelte mit Schmieröl, die Mutter war eine jiddische Mama, die aufpaßte, daß die Kinder brav in die jüdische Schule gingen. Wie über 15.000 andere polnische Juden in Deutschland wurde die Familie in der sogenannten „Polenaktion“ 1938 ausgewiesen, wie viele andere auch in Polen nicht hereingelassen. Wieder in Lübeck erfuhren sie den ganzen Naziterror. Die Kinder mußten die Schule verlassen, die Familie war zu arm, um zu emigrieren. Nur der ältesten Prenski- Tochter Sonja gelang es, nach Palästina zu flüchten. Sie lebt heute noch in Israel, bei der Namensumbenennung wird sie heute – zum erstenmal seit knapp 60 Jahren – in Lübeck sein.

Wie ihre Geschwister gestorben sind, hat sie durch die SchülerInnen der Projektgruppe erfahren. Die haben das Schicksal der Familie Prenski in einer Ausstellung und in einem Katalog dokumentiert. Die Fleißarbeit war die Grundlage dafür, daß die Schulkonferenz im März 1994 der Umbenennung zustimmte. Als später dann die Synagoge in Lübeck brannte, waren die SchülerInnen die ersten, die dort Blumen hinterlegten. Anita Kugler