Fest der Käfer und Geister

■ „Die Verwandlung“ nach Kafka, gespielt von Ramba Zamba im DT

Die Persilwerbung dröhnt aus den Lautsprechern, verheißt porentiefe Reinheit. Ohne weiteres würde man dem Deutschen Theater als Ort des Geschehens den ästhetischen Persilschein ausschreiben – alles so sauber, so glatt, so perfekt. Nicht so diese Inszenierung: Ramba Zamba spielt „Die Verwandlung“ nach Kafka. Die Gäste hauen auf die Pauke, bringen Zirkusatmosphäre mit Tschingderassabumm ins noble Elfenbeinhaus. Auch das Publikum ist an diesem Tag ein besonderes, unangepaßtes.

Ramba Zamba ist die Theatergruppe der Sonnenuhr e.V., dem Verein für künstlerische Arbeit von und mit Behinderten und anderen. Exakt 111 Jahre nach Kafkas Geburtstag zeigen die SchauspielerInnen eine wunderbare Adaption seiner Erzählung: die Verwandlung zum Käfer als Metapher für die Behinderung.

Direkt und indirekt wird das Ausgestoßenwerden des Käfers/ der Behinderten angeprangert. „Wir sind doch alle Menschen hier, kann ich Ihnen helfen?“ nähert sich eine Schauspielerin dem am Boden zappelnden und von seinem Kistenpanzer eingesperrten Käfer- Darsteller – Johlen im Publikum! Wenn die SchauspielerInnen auf der Bühne über den Text hinausgehend aktiv, zuweilen auch aggressiv werden, geht ein anerkennendes, erfreutes Raunen durch die Reihen. Aber auch das gab es: Bei Längen im Stück wird laut und vernehmlich gegähnt.

Aus der „Verwandlung“ entsteht so eine poetische Clowneske, die, obwohl kaum analytisch angelegt, dunkle und überaus eindringliche Szenen hat. Unergründliche Entgleisungen und Verirrungen, Zeitlupensequenzen unterbrechen den Aufführungsablauf. Trotz aller Zwänge des Kafka-Textes spielen die DarstellerInnen seine immanente Heiterkeit aus. Barockbunt-skurrile Kostüme, sich drehende Schirme, wahrlich goldenes Haar und verrückte Hüte verleihen der Inszenierung eine zauberhafte Leichtigkeit, die durch die Sperrigkeit der Körper pointiert wird.

Und wir, die wir nur selten in Berührung mit den aufs gesellschaftliche Abstellgleis beförderten „Behinderten“ kommen, staunen. Wir staunen, wie verdammt hartnäckig sich falsche Klischees dank unserer beschränkten Wahrnehmung halten. Joachim Neumann als Gregor Samsa/Käfer ist ein verblüffend guter Schauspieler, Angela Heinig als Schwester Grete spielt verblüffend gut Querflöte, der Erzähler Christian Herzog rezitiert den Text Kafkas mit verblüffendem Gespür und einer klaren, nüchternen Stimme, wie sie diesen Texten angemessen ist. Entschuldigung, mich hat es tatsächlich erstaunt!

Die Inszenierung hat nichts von der Betulichkeit randständigen Spartentheaters. In den schönsten Momenten haben die Improvisationen, beispielsweise ein Fest der Käfer und Geister, das von der Bühnenkapelle begleitet wird, eine rauschhafte Vitalität, die die ZuschauerInnen einfach mitreißen muß.

Dennoch: Einen grundlegenden Fehler beging der Regisseur Klaus Erforth. Hartnäckig demonstrierte er seinen Unwillen, die teils unendlich langen und völlig abwegigen Improvisationen der SchauspielerInnen zu kürzen. Wenn sich solche schauspielerische Eitelkeit (ja, auch die gibt es hier – warum auch nicht?) um ihrer selbst willen zwanzig Minuten und mehr auf der Bühne, gar auf der abgedunkelten, breitmacht, gehen Lust und Spannung verloren. So saß zum Schluß der „andere“ Teil des Publikums verhalten und geduldig viereinhalb Stunden bei brütender Hitze im Theater, während etliche Menschen, die ihren Körper weniger gehorsam unterdrücken, in der Pause frohgemut und lärmend das Theater verlassen hatten. Petra Brändle

Weitere Vorstellungen erst ab 2.10. im Sonnenuhr-Theater am Pferdestall, KulturBrauerei, Knaack-/Ecke Dimitroffstraße, Prenzlauer Berg.