Ein "Z" wie Zeppelin

■ "Der große Preis" wird ab heute donnerstags um 14.15 Uhr bei 3 sat wiederholt

Zwei Rechenaufgaben haben mir in der Schule immer besonders viel Freude gemacht: Wenn wir gefragt wurden, „Was ist acht mal vier?“ brüllte die ganze Klasse „ein Deo gegen Achselnässe“. An solchen Tagen ersparte sich unsere Lehrerin dann „drei mal neun“ — niemals hätten wir 27 geantwortet.

Als im Sommer 1974 unsere Lieblingssendung „Drei mal neun“ abgewickelt wurde, konnten wir das kaum fassen. Zu schön waren die Donnerstage gewesen, an denen Georg Heinrich Wilhelm („Wim“) Thoelke uns vorrechnete, was das Multiplikat deutscher Fernsehunterhaltung war. Aber die Nachfolgesendung von Frankenfelds „Vergißmeinnicht“ hatte sich nur vier kurze Jahre halten können. Dann beschlossen die Programmverantwortlichen des ZDF, mit der Zeit zu gehen. Eine neue, moderne Spielshow sollte künftig der „Aktion Sorgenkind“ noch mehr Spenden zuführen für die „Contergan“-geschädigten Kinder, die nun ins schulreife Alter kamen und sich jetzt selbst mit dem Einmaleins herumschlugen.

So saßen wir im Herbst 1974 vor dem Fernseher und beäugten kritisch den „Großen Preis“. Drei Kandidaten sollten auf ihr Fachwissen hin geprüft werden. „Französische Weine“, „Mythologie der Griechen“ und die „Außenpolitik der BRD von 1945–1973“. Neu waren die kugelrunden „Ratekapseln“, in denen die Kandidaten – von allen Studiogeräuschen sorgsam abgeschirmt – ihrem Sieg entgegenschwitzten. Zeitgemäß im Zeitalter der Mondlandungen saßen Wims Assistentinnen nun hinter einem riesigen Cockpit, von dem aus sie die „multifunktionelle Ratewand“ steuerten. Höflich baten die Gäste in Erwartung einer Glücksfrage um ein „F wie Fritz“ oder das „Z wie Zeppelin“.

Trotz all dem Technikschnickschnack war die Mission „Der große Preis“ aber vor allem deshalb so erfolgreich, weil Wim Thoelke die unendlichen Weiten konservativer Fernsehunterhaltung bereiste: Denn anders als bei der gerade aus dem Programm verbannten Avantgarde-Show „Wünsch Dir was“, wurde beim „Großen Preis“ das Abfragen von Wissen wieder ins Recht gesetzt. Hier wurde das Quizzen tatsächlich wieder so ernst genommen wie weiland zu Maegerleins „Hätten Sie's gewußt“-Zeiten. Die Gewinne erschienen uns damals astronomisch hoch: Wo Dietmar Schönherr Heimsaunen verschenkte, winkten dem Tageschampion beim „Großen Preis“ fünfstellige Bargeldsummen. Das war wirklich mal etwas Neues.

Anderes wurde mit Bedacht in die neue Zeit herübergerettet: Der Zeichentrick-Wum aus „Drei mal neun“ erinnerte auch beim Großen Preis an den Einzahlungsschluß für die Aktion Sorgenkind, und Walter Spahrbier, der schon bei Peter Frankenfeld der Post ein Gesicht gab, verlas auch bei Wim Thoelke die Gewinnquoten der Soziallotterie. Ein Star wurde bald Frau Beate, die Chefassistentin. Sorgsam kümmerte sie sich um die aufgeregten Kandidaten, behutsam betreute sie das Check-in, reichte die Kopfhörer, verwaltete die Masterfragen der Schlußrunde.

Als die Privaten in den 80er Jahren mit ihren banalen Spielshows die Unterhaltungsrevolution einläuteten, wurde der „Große Preis“ immer mehr zur letzten Bastion einer untergehenden Welt: Während wir uns in der Schule mit Mengenlehre und Gruppentischen die neue Weltsicht der sozialen Kompetenzen aneigneten, reüssierte im „Großen Preis“ noch das gute alte Allgemeinwissen: Wenigstens im Berliner Studio A war immer noch König, wer die meisten Nebenflüsse der Donau aufzählen konnte. Klaudia Brunst