„Seriös, tierlieb und mobil“

■ Rentner haben Konjunktur - als die idealen Homesitter

Für den 64jährigen Walter S. aus Hamburg begann alles mit dieser Kleinanzeige: „Wir suchen Rent. 58-70 J. (alleinstehend, Ehep.) Voraussetzung: einwandfreier Leumund, seriös, tierlieb, mobil, leichte Behinderung kein Hindernis.“ Der pensionierte Zollbeamte antwortete auf das Inserat der „Homesitter Agentur“, was er bis heute – nach zwei Jahren und fast 20 Einsätzen – nicht bereut hat: „Ich habe es getan, um fit zu bleiben. Diese Art von Arbeit bedeutet für mich Erholung.“

„Homesittig“ steht für das Bewachen von Wohnungen und Häusern, die wegen Abwesenheit der Besitzer einbruchgefährdet erscheinen. Die Anzeige aufgegeben hat seinerzeit Hermann Voss, Inhaber der Agentur mit Büros in Hamburg und St. Peter-Ording. Anfang der 80er Jahre gründete der Ex-Drogist „als erster in Deutschland“, wie er behauptet, den Service.

„Das Vertrauen der ersten 100 Kunden zu erkämpfen war mühsam. Damals haben mich die Beratungsstellen der Kripo noch belächelt“, berichtet Voss. Und den bewährten Sitter Walter S. verwundert es „immer wieder, welches Vertrauen die Leute einem wildfremden Menschen entgegenbringen“. Seine neuen Homesitter prüft Voss jedoch aufs gründlichste: „Jeder Bewerber wird, bevor ich ihn einstelle, von mir mehrfach besucht, manchmal auch unangemeldet.“

Der Zusatzverdienst ist es weniger, der Rentner S. am „Homesitten“ reizt. Die Vorteile liegen woanders: „Ich verreise gern, und diese Arbeit ist für mich ein kleiner Ersatz fürs Reisen“, sagt er. Die „besseren“ Einsatzgebiete – etwa Villen am Hamburger Stadtrand oder prächtige Häuser an Nord- und Ostsee – lassen bisweilen richtige Urlaubsstimmung aufkommen.

Wenn der Ruheständler im Schnitt zwei Wochen am Stück „fremdsitzt“ – Räume sauber hält, das Telefon bedient, Blumen gießt, den Hund „Gassi“ führt und Unkraut jätet – besucht ihn seine Frau schon mal. Manchmal darf sie auch ins sorgsam gehütete Haus hinein, was allerdings zuvor auf einem besonderen Formular vermerkt wird – genauso wie die Abwesenheit des Hüters. Drei Stunden „Freigang“ täglich billigt ihm der Vertrag zu.

Adam Olschewski