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Zwischen EG-Richtlinien und Konkurs

■ Windige Konstruktion: Unzulässige Subventionen für Hamburger Stahlwerke Von F. Marten

Subventionsbetrug? Wie berichtet, ermitteln derzeit EU-Schnüffler gegen den Hamburger Senat und die von ihm ausgehaltenen Hamburger Stahlwerke (HSW). Der Verdacht: Die Stahlwerke sollen seit Jahrzehnten unzulässig staatlich subventioniert worden sein. Es drohen die Rückzahlung der Beihilfen und Absatzquoten-Kürzung.

Die Brüsseler Ermittler könnten sich einige Arbeit sparen. Am grundlegenden Sachverhalt besteht seit mehr als 10 Jahren kein Zweifel: Der Hamburger Senat hat die Stahlwerke am Leben gehalten, was nach den EG-Richtlinien seit weit mehr als 10 Jahren strikt untersagt ist. Einzige Hoffnung des Senats: Durch die trickreiche Form der Beihilfegewährung könnten dennoch die Buchstaben der EG-Richtlinie eingehalten worden sein.

Am 7.Dezember 1983, vor mehr als einem Jahrzehnt also, beschrieb die taz hamburg das Problem bereits unmißverständlich: „In einem Dilemma besonderer Art steckt der Senat. Die Stadt darf aufgrund der EG-Richtlinie keine Direktsubventionen zahlen, zum anderen soll aber das Stahlwerk, in welchem bereits 120 Millionen Mark Stadtstaatsbürgschaften stecken, mit weiteren 80 Millionen Mark über Wasser gehalten werden. Ausweg : Die Unterstützung der Gründung einer privaten Auffanggesellschaft, deren Gesellschafter u.a. das SPD-Mitglied Gerd Weiland, Haushaltsausschußvorsitzender und Konkursverwalter der HSW sein wird.“

Die rechtliche Konstruktion der Auffanggesellschaft „in der Zwickmühle zwischen EG-Richtlinien und Konkurs“, so die taz damals, gestaltete sich derart gefährlich, daß es in der Landespressekonferenz am 6.12.83, in welcher der Senat seine Rettungstat bekanntgab, zu absurden Szenen kam: Der damalige Wirtschaftssenator Volker Lange wandte sich gleich mehrfach ratsuchend an einen „juristischen Berater“, der ihm jedesmal verbot, auf Fragen „nach dem Geschäftsrisiko für die Stadt genauere Auskünfte zu erteilen.“

Heute wissen wir: Die Stadt trug per Landesbankbürgschaft fast 100 Prozent der HSW-Risiken – bis heute. Bis heute sind sich die Verantwortlichen auch des EG-Risikos bewußt: Statt die Aufstockung der Bürgschaften in den Jahren 1983, 1992 und 1994 von der EG genehmigen zu lassen – was die Stadt unterließ, weil sie ein Njet erwarten mußte –, hofft man bis heute auf eurokratische Blindheit. In einer „streng vertraulichen“ Senatsvorlage vom 21.12.1993 betreffs „weiterer Finanzmittel für die HSW, die ohne Mitwirkung Hamburgs nicht bereitgestellt werden“, wird ausführlich auf die „EG-Beihilfen-Problematik“ eingegangen. O-Ton: „Betriebs- und Investitionsbeihilfen sind unzulässig, soweit sie nicht der Finanzierung von Umweltauflagen oder von Sozialauflagen bei Schließung des Werkes dienen. Nicht genehmigte Hilfen können zurückgefordert werden, der EG-Vertrag läßt Sanktionen gegenüber Unternehmen zu.“

Mit dem drohenden Untergang der Stahlwerke, die ein negatives EU-Urteil wirtschaftlich kaum überleben können, steht auch die Senatspolitik im Zwielicht, die wider interne Bedenken ein kompliziertes Filzgeflecht zur HSW-Stützung aufgebaut hatte. Am Pranger: Ex-Wirtschaftssenator Volker Lange (heute überaus erfolgreicher Immobilienberater im Bezirk Mitte, dessen SPD-Vorsitzender er zufälligerweise ist), Bürgermeister Henning Voscherau (1983 SPD-Fraktionsvorsitzender und Notar des Vertrags zwischen Landesbank und HSW-Eignern) und natürlich der Ex-Haushaltsausschußvorsitzende Dr.Gerd Weiland.

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