"Ich hab mich verheiratet mit dem Laden"

■ Bei der DST erfinden die Angestellten samstags zivile Güter, dafür möchten sie aber auch sonst mehr mitbestimmen

„Ich hab mich verheiratet mit dem Laden“

Bei der DST erfinden die Angestellten samstags zivile Güter, dafür möchten sie aber auch sonst mehr mitbestimmen

An der Wand hängen Pin-ups neben Panzerfotos. Davor pfriemelt Elektromechaniker Bartel einen dicken Kabelstrang zusammen. Klaus Bartel gehört zum Unternehmen Deutsche System-Technik (DST), das Kabel zum Antennensystem der singapurianischen Militär-Fregatte. Noch immer macht die DST viel Geld mit Rüstungsaufträgen. Aber immer weniger: Der militärische Umsatz-Anteil ist in vier Jahren von 85 auf 40 Prozent gesunken. Damit gilt die DST heute als Musterschülerin in Sachen Konversion. Und zwar an beiden Firmenstandorten, Kiel wie Bremen. Um über die Konversionsmethode der DST zu plauschen, lud jetzt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ins Kieler Werk. Es kamen Rüstungsfirmenvertreter, der Kieler Wirtschaftminister, Landtagsabgeordnete, der Bremer Konversionsbeauftragte ...

Ganz unüblich für High-Tech-Frimen durften neben dem Geschäftsführer Jacobi auch MitarbeiterInnen von der Rüstungskonversion erzählen. Sie wählten eine recht unkonventionelle Form dafür: Da hoppelte ein Angestellter als Nummernboy vor dem Wirtschaftsminister auf und ab, während mit Fanfarenmusik zwei zivile Renner enthüllt wurden: die Müllzähltonne, in Bremen bekannt als „Codierte Tonne“, und die Fahrgastinformationssäule. Beide Produkte hat die „Denkfabrik“ erfunden. Diese von der Gewerkschaft vor vier Jahren noch unter dem Namen „Alternative Produkte“ gegründete MitarbeiterInnengruppe hat sich vor allem nach Feierabend und an Samstagen den Kopf über nicht-militärische Produkte zerbrochen. Die Kosten für Workshops zu Themen wie „Hochtechnologiemärkte“ oder „Meine Gedanken und Ideen in der Gruppe“ teilten sich die Unternehmensleitung und die Technologiestiftung.

Ja, manche Beschäftigten des Eletronik-Unternehmens hätten „sich richtig mit dem Laden verheiratet“, erzählt einer. Da zuckt zwar der Bezirksleiter der IG Metall, Frank Teichmüller, kurz zusammen, gibt dann aber zu: „Einst haben wir zu den Leuten gesagt: Das ist nicht deine Fabrik, sondern das ist die Fabrik, in der du arbeitest. Aber es gehört eben doch auch Engagement dazu.“ Engagiert haben sich die DST-MitarbeiterInnen auch finanziell: Letztes Jahr haben sie auf die tarifliche Gehaltserhöhung verzichtet. Nicht zu vergessen: Seit der Übernahme der einstigen Philips-Tochter durch zwei Manager ist ein Viertel der Arbeitsplätze gestrichen worden. Trotz zurückgehender Aufträge vom Bundesverteidigungsministerium ist die DST jetzt erstmals in den schwarzen Zahlen.

Die Manager haben es also geschafft: Sie sind an das „Gold in den Köpfen der MitarbeiterInnen“ herangekommen. Konversion nämlich heißt nicht nur, zivile Produkte zu entwickeln und eine Marketingabteilung aufzubauen. Nein, sagt etwa der Projektverbund Friedenswissenschaften in Kiel, notwendig ist auch die „Konversion in den Köpfen“ – das meint allerdings weniger ein anderes Denken als ein anderes Verhalten.

Innovation erfordert zum Beispiel Dialoge mit bestimmten Freiheitsgraden, sagt der Kieler Konversionsexperte Klaus Friebe. Schmerzliche Erfahrung vieler Konversionsunternehmen aber ist das Defizit an Kommunikationsfähigkeit innerhalb des Betriebs und mit neuen KundInnen. Die bisherigen Geheimhaltungsvorschriften sowie die formalisierten Entscheidungsstrukturen hemmten die Kommunikation.

IngenieurInnen müssen sich nun auf die speziellen Kundenwünsche und -geldbeutel einstellen können; sie dürfen nicht mehr ungehemmt ihrem technischen Spieltrieb nachgehen und Produkte bis zur Perfektion veredeln (Motto: Gartenstuhl mit Porscheantrieb), sondern sollen für den stauträchtigen Großraum Stuttgart ein bezahlbares Verkehrsleitsystem entwickeln. Und zwar schnell. Die Konkurrenz schläft nicht.

Mit anderen Worten: Nicht nur die Produkte eines Konversionsunternehmens, sondern auch die ganze Organisation und Kommunikation müssen „zivilisiert“ werden. Diesen internen Umrüstungsprozeß hat die Technologiestiftung Schleswig-Holsteins bei der Deutschen System-Technik gefördert: Die MitarbeiterInnen sollten überlegen, wie man Kreativität organisiert, wie man Entscheidungsstrukturen transparenter macht, welche Weiterbildung die MitarbeiterInnen brauchen ...

So erfolgreich der Arbeitskreis „Denkfabrik“ auch ist – einige Träume sind geplatzt. Auch das verschwiegen die Beschäftigten bei der Tagung in Kiel nicht. Geplatzt ist der Traum von der Wiederaufbereitung von Elektronikschrott – da sind der DST die großen Enegieunternehmen zuvorgekommen; aus dem schnellen Ostseecarrier-Schiff, ökologisch mit Segel und beliefert von sämtlichen Rüstungsunternehmen im Kieler Raum, wurde auch nichts: die Mühlen in anderen Unternehmen mahlen zu langsam. DST hätte gern die Schiffslogistik beigesteuert.

Am schwersten fällt der Abschied vom Traum einer hierachieloseren Firma. „Was die Mitbestimmung angeht, da sind wir keinen Schritt weitergekommen“, sagt Betriebsrat Michael Dost – nach der Veranstaltung. Wenn es um neue Produkte geht, werde der Arbeitskreis „Denkfabrik“ gern abgeschöpft, gezielte Weiterbildung aber gebe es nicht. Mehrere Ordner kann Birgit Stoltenberg, kaufmännische Angestellte im Auftragswesen, auf den Tisch hieven, Ordner voller Vorschläge für die innerbetriebliche Neuorganisation – doch es blieb immer bei der Präsentation der Ergebnisse, die Geschäftsführung lobte, doch daraus erwachsen sei nie was.

Wenn doch der Geschäftsführer auch mal ungefilterte Protokolle von Brainstormings zur Zukunftsicherung des Unternehmens im Computersystem deponieren würde, statt immer nur Abgeklärtes auf Betriebsversammlungen kundzutun, sagt der Betriebsrat. Und daß nun schon die dritte Umorganisation in zwei Jahren von oben angeordnet worden sei, jedesmal ohne nähere Erklärung,auch das stößt nicht gerade auf Begeisterung.

Von einer Beteiligung der Beschäftigten am Kapital sei schon gleich gar nicht mehr die Rede. „Aber es müßte halt doch ein bißchen mehr draus erwachsen als immer nur die formale Anerkennung“, sagt der Betriebsrat.

Christine Holch