Kahlschlag in Mitte
: Die Rosmarinstraße gibt es nicht mehr

■ taz-Serie (Teil 1): Die Gasse nahe der Friedrichstraße weicht einem Bürohaus / Der Bezirk hatte den Abriß verweigert, der Bausenator hingegen gab grünes Licht

„Bausenator Nagel ist dabei, die Stadt den Interessen der Investoren zu opfern“, kritisiert die grüne Baupolitikerin Elisabeth Ziemer und verweist auf das Rosmarin-Karree zwischen Rosmarinstraße und Behrenstraße in Berlin-Mitte. Dort fressen sich seit zwei Wochen überdimensionierte Greifarme in die Fassaden des „Kerkau-Palastes“ und des „Hauses Trabach“. Abriß. Der Bezirk war dagegen, Bausenator Nagel (SPD) hat ihn gebilligt. Im Interesse der Investoren und mit der Begründung, daß es keinen verbindlichen Bebauungsplan gegeben habe. Für 300 Millionen Mark wird nun die Hines Grundstücksentwicklungs GmbH anstelle des Rosmarin-Karrees ein Bürohaus bauen. Für den Bezirk ist der Abriß „die schlimmste Sünde, die in Mitte je passiert ist“.

Begrenzt durch die Friedrich-, Behren-, Charlotten- und Rosmarinstraße war das Karree vor allem durch seinen Gassencharakter an der Rosmarinstraße ein ungewöhnlicher Anblick in der ansonsten quadratisch-gravitätischen Friedrichstadt. Wer vom Bahnhof Friedrichstraße zu den „Linden“ lief, konnte die zwei- und dreistöckigen Häuser bereits von weitem sehen. Eine „einmalige Situation“ nannte der Architekt Wolfgang Schäche in einem Gutachten das Rosmarin-Karree. Doch der Abrißkoalition aus Investoren und Senat konnten weder Schäches Gutachten noch die von den Grünen nominierte Baustadträtin Dorothee Dubrau etwas entgegensetzen: Das Rosmarin-Karree stand nicht unter Denkmalschutz. Die Rosmarinstraße gibt es nicht mehr.

Das „Trabach-Haus“ (Behrenstraße 47/Rosmarinstraße 8/9) wurde als Weinhaus 1904/5 von den Architekten Richard Walter und C. Müller gebaut, die Inneneinrichtung geht auf Richard Riemerschmid, einen Vertreter des Jugendstils, zurück. Doch ebenso wie vom „Kerkau-Palast“ (Behrenstraße 48/Rosmarinstraße 7), erbaut von einem der Architekten der Hackeschen Höfe, Kurt Bernt, blieb von der historischen Bausubstanz, so die Leiterin des Denkmalamtes Mitte, Eva-Maria Eichler, „nichts übrig außer einem alten Treppenantritt“. Zuwenig, um das Ensemble unter Denkmalschutz zu stellen. Den Schwarzen Peter will die Denkmalpflegerin aber nicht bekommen. „Man muß als Stadt“, sagt sie, „auch einmal von anderen Instrumenten zum Erhalt der alten Bausubstanz Gebrauch machen.“ Doch da stößt man beim Senat auf taube Ohren. Eine Erhaltungssatzung für die Friedrichstadt, wie sie von der Bezirksverordnetenversammlung bereits 1991 beschlossen wurde, liegt noch immer bei Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) – auf Eis! Uwe Rada

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