Durchs Dröhnland
: Selbst Mittelgebirge huschen respektvoll zur Seite

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wattenscheid ist bekanntermaßen ein Vorort von Bochum mit einer grottenschlechten Bundesligamannschaft, die kürzlich verdientermaßen abgestiegen ist, aber prompt durch die Kicker aus der Innenstadt ersetzt wird. Die Kassierer sind eine Bochumer Kultkapelle aus dem Vorort Wattenscheid, die einen grottenschlechten Funpunk spielen, der so ungelenk daherstolpert wie Frank Hartmann zu seinen besten Tagen, und das allein sollte schon für Lachsalven sorgen. Doch dies ist nicht der Grund für die wahnwitzige Verehrung, die die Kassierer im Ruhrgebiet erfahren. Es sind die Texte, und die reichen von tiefstgelagertem Schwachsinn bis oberhemmungslosem Schwachsinn. Da werden „Rosen aus Amsterdam“ zu „Haschisch aus Amsterdam“ oder die Freuden des Stiefeltragens beschworen: „Auch die Damen finden es sehr schön, wenn sie mich in meinen Dr. Martens sehen.“ Einige sagen, die Kassierer nähmen kein Blatt vor den Mund, man könnte auch meinen, sie wollten um jeden Preis provozieren: „Ich besuche ihn zu Hause, er zieht mir meine Hosen aus. / Der Sozialarbeiter gar nicht bange, lutscht mir meine Vögelstange. / Und der bärtige, langhaarige Mann zeigt mir, was er blasen kann. / Spritz ihm in den Bart, das bringt ihn in Fahrt“ („Sex mit dem Sozialarbeiter“). Auch der allseits beliebte „zynisch und menschenverachtend“- Vorwurf dürfte nicht lange auf sich warten lassen: „Dich knöpf ich mir vor / Mit meinem Motor / Fräs ich durch deine Stirn / Tief in dein Gehirn.“ Die Liste ließe sich beliebig erweitern hin zu Sexismus, antiklerikal oder was das Herz sonst so begehrt. Nun soll das Ganze lustig gemeint sein, aber endet statt in treffender Satire in einem blödelnden Gemischtwarenladen, der alles mitnimmt, was schon immer lächerlich gemacht wurde. Über Humor kann man nicht streiten, und ich muß zugeben, daß auch ich hin und wieder lachen mußte. Einigen wir uns auf zwiespältig. Die explizite Sprache schafft immerhin Aufmerksamkeit für ein Problem: Was ist los in unseren Unis, wenn Philosophiestudenten sich zu so was genötigt sehen?

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Ich habe die Herren schon oft gelobt, und spätestens mit ihrer dritten Platte „Das Treibhaus“ haben sich Fleischmann zur allerallerbesten Metalband Berlins aufgeschwungen. Das Trio verleiht der deutschen Sprache die unbedingt nötige Schwere, kann sich mit ihren überladenen Wortgebilden durchaus an Bargeldschen Vorgaben messen, aber verpaßt dem Ganzen einen solch satten, wundervoll klaren metallischen Sound, daß selbst Mittelgebirge respektvoll zur Seite huschen. Bei den „Messitsch-Tones“ spielen auch noch Eggmen Five, Fluchtweg und andere.

Heute, 18 Uhr, Club Gérard Philipe, Karl-Kunger-Straße 29, Treptow.

Ich weiß nicht, das wievielte Revival von Punkrock inzwischen läuft, ist aber eigentlich auch egal bei einer Musik, die zumindest musikalisch selbst schon ein Revival guter alter Werte war. Nun gut, die Featherheads gehören auf jeden Fall dazu. Sie fügen den Errungenschaften der Buzzcocks, Pop auf einer solch krachenden Ebene möglich zu machen, nichts Wesentliches hinzu, sind aber spätestens seit der Reunion der vier inzwischen bierbäuchigen Herrschaften sicherlich die beste Alternative, um alte und schon allein deshalb für viele bessere Zeiten wieder aufleben zu lassen.

Heute, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170.

Vielleicht wären Rationale Shotgun eine der unterbewertesten Punkrock-Bands aller Zeiten, wenn es davon nicht sowieso schon ausufernde Heerscharen gäbe. Die Frage erübrigt sich, denn Shotgun gibt es nicht mehr, aber der Mann dahinter steht weiter in der zweiten Reihe. Mit The Dons versucht Sonny Vincent eine halbgare Abkehr von seinen vergangenen puristischen Jahren. Er mixt in das eintönige 4/4-Stakkato vornehmlich einen Hauch von Hendrixscher Psychedelic und in die gleiche Kerbe hauend ein wenig Blues, der dem inzwischen ja auch schon älteren Herrn aber ganz gut zu Gesicht steht. Was Herr Vincent und seine beiden niederländischen Mitstreiter damit vor allem zeigen, ist die Tatsache, daß es vom ehrlichen Punker zum ehrlichen Bluesrocker nur ein kleiner Schritt sein kann. Mindestens eine Generation später repräsentieren Understand. Die Engländer spielen einen Hardcore, der vor allem in seiner hin- und herstrebenden Rhythmik an Fugazzi erinnert und auch ansonsten straigt-edge-Ideale propagieren.

Morgen, 22 Uhr, Knaack.

Ganz gemütlich eingerichtet zwischen allen Stühlen haben sich Die Auch. Das Trio aus Bremen spielt einen jazzigen Hardcore oder punkigen Jazz, je nachdem. Sperrig ist es auf jeden Fall, auch wenn die Band selbst Wert darauf legt, daß man „dabei aber tanzen kann“. Mit einem avancierten Rhythmusgefühl dürfte tatsächlich selbst das gelingen. Für unsere verschrobenen Freunde hat das auch nicht viel zu bedeuten, denn so unterschiedlich, wie die gedroppten Namen ausfallen (von Universal Congress Of über Cassiber bis zu den Minutemen), so schwer ist dann auch die Einordnung. Da hier der Platz sowieso fehlt, gebe ich mich geschlagen.

Morgen, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte.

Schon 1986 war Kurtis Blow für Spex nur mehr der „elder statesman“ des Rap, der in jenen Tagen noch nicht HipHop hieß. So schnell ging das in einem Genre, das damals noch hauptsächlich davon lebte, mit Maxis möglichst schnell auf die allerneuesten musikalischen, sozialen und lokalen Entwicklungen reagieren zu können. Noch kurz zuvor war Blow der Mann, der das Sprechen zu Beats über die regionale Bedeutung hinausgehoben hatte, der den Rap durch seine weniger drastischen Worte der schwarzen Mittelschicht und sogar einem weißen Publikum öffnete. Was ihm damals durchaus zu Recht als Windelweichheit vorgeworfen wurde, ist längst vergessen. Inzwischen gilt der Mann, der mit Grandmaster Flash zusammen an den Reglern stand und Run DMC produzierte, als Pionier der Old School, und als solchem wird ihm mittlerweile auch der nötige Respekt entgegengebracht. Dafür kann er sich aber nicht viel kaufen, sondern muß gleich im Verbund mit einer ganzen „Old School Party“ butterfahrtmäßig auf Tour kommen. Dort spielen dann höchstwahrscheinlich zur Belustigung schon abgedankter B-Boys auch noch The Homelanders, MCB, Soul S.K., Rudy Rude, 30 Low, CoChilla und die Kreuzberger Posse CPS.

Am 11.7., 20 Uhr, Yaam, Eichenstraße 4, Treptow. Thomas Winkler