Hungrig auf die Waage

■ 49 Insassen im Abschiebeknast Kruppstraße im Hungerstreik / Polizei verspricht Besserung, aber viele Klagen seien falsch

Der Hungerstreik im Abschiebeknast Kruppstraße hat sich ausgeweitet. Nachdem damit am Mittwoch 28 Insassen gegen die zum Teil menschenunwürdigen Haftbedingungen protestiert hatten, ist die Zahl gestern auf 49 angewachsen. Das erklärten Insassen gegenüber der taz.

Die Zustände im Abschiebeknast Kruppstraße werden schon lange kritisiert. Der Hungerstreik geht von den Gefangenen des 3. Stocks aus, wo die schlimmsten Zustände herrschen sollen. In einem 15 Punkte umfassenden Katalog fordern sie unter anderem bessere hygienische Bedingungen, eine bessere Behandlung durch Beamte und Ärzte und besseres Essen. Wie berichtet, hatte der Ausländerausschuß des Abgeordnetenhauses vergangene Woche bereits den Abschiebeknast aufgesucht. Nur die CDUler waren demonstrativ ferngeblieben.

Der Ausländerausschuß reagierte damit auf einen Beschwerdebrief von Traudl Vorbrodt von Asyl in der Kirche, die sich über Mißhandlungen und Willkürmaßnahmen von Beamten gegenüber Abschiebehäftlingen beklagt hatte. Ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ist mittlerweile eingeleitet worden. Der Beamte, der Gefangenen für einen Becher heißes Wasser zwei Mark abgenommen haben soll, sei von den Gefangenen aber bei Gegenüberstellungen noch nicht identifiziert worden, betonte der Leiter des für die Kruppstraße zuständigen Polizeireferats, Ralf Niewind, gestern.

Bezüglich der Forderungen versprach Niewind „zu verbessern, was verbessert werden kann“. Heißes Wasser sei nach der Wartung der Anlage wieder in unbegrenzter Menge verfügbar. Außerdem habe er Anweisung gegeben, die Fenster bei der Hitze Tag und Nacht offen zu halten. In der Polizeikantine in Ruhleben habe er sich für eine Änderung des Speiseplans verwendet und bei der Post erneut auf die Installation eines weiteren Münzfernsprechers gedrängt. Die Klagen über schlechte Behandlung und mangelnde Hygiene hätten sich bei einem Gespräch mit den Gefangenen am Mittwoch jedoch als schlichte Behauptung herausgestellt. Die Häftlinge hätten schließlich selbst zugegeben, „da ist nichts“. Denn es stimme schlichtweg nicht, daß sie ihre Wäsche nicht waschen könnten und nur zwei- bis dreimal wöchentlich nach Gutdünken der Beamten eine Viertelstunde Hofgang hätten. Im Keller gebe es eine für alle verfügbare Waschmaschine, und es gebe täglich eine halbe Stunde Hofgang. Die ärztliche Betreuung sei rund um die Uhr gewährleistet. Niewind verwies darauf, daß die eigentlich für 124 Häftlinge ausgelegte Kruppstraße mit den derzeit 176 Gefangenen überbelegt sei. Deshalb solle demnächst eine größere Anstalt in Grünau bezogen werden. Am liebsten würde die Polizei die Abschiebehäftlinge an die Justiz loswerden, weil diese bessere Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten habe. „Aber die Justiz weigert sich.“

Einer der Hungerstreikenden teilte der taz gestern mit, man werde die Aktion fortsetzen, bis alle Punke erfüllt seien. „Wir tun es für uns und die vielen, die nach uns kommen.“ Gestern seien alle Häftlinge des 3. Stocks überraschend gewogen worden, wohl um ermitteln zu können, ob sie wirklich nichts essen. plu

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