50er-Jahre-Vokabular

■ betr.: „Knallhart bekämpfen“ (Was tun mit der PDS?), taz vom 27. 6. 94

Offenbar haben viele – auch führende – Mitglieder der SPD aus der ehemaligen SPD die Ideologie der ehemaligen BRD immer noch nicht in dem Maße durchschaut, daß sie die Situation in diesem unserem Land realistisch beurteilen können. Das zeigt auch der Grundsatz Stephan Hülsbergs, es sei „falsch, eine Zusammenarbeit mit der PDS anzustreben, eine Koalition zur CDU aber zu tabuisieren“. Die Entwicklung der letzten Jahre sollte doch jedem, der ohne die Scheuklappen westdeutscher Sprachregelungen und Denkverbote durch die Welt geht, gezeigt haben, daß das Gegenteil zumindest genauso gefährlich wäre. Schließlich gilt auf der anderen Seite des politischen Spektrums das, was Hülsberg der PDS unterstellt, in nicht geringerem Maße für die CDU, die mit ihrem politischen und gesellschaftlichem Gedankengut wenigstens teilweise in jenen Tendenzen des 19. Jahrhunderts verwurzelt ist, die die NS-Diktatur wenn nicht mitverursacht, so doch erleichtert haben.

Die Art und Weise, in der der Prozeß der Wiedervereinigung von unseren Konservativen durchgeführt worden ist, dürfte kaum Zweifel daran erlauben, wie formal und vordergründig das Verständnis von Demokratie ist, das die sogenannten demokratischen Parteien für sich in Anspruch nehmen.

Und die planvolle Methode, mit der der Sozialstaat hierzulande demontiert wird, dürfte ebenso unverhüllt zeigen, daß die sogenannte soziale Marktwirtschaft nichts anderes war als eine geschickte Strategie, um die menschliche Alternative zu bekämpfen, die der Sozialismus dem Kapitalismus gegenüber darstellte.

Wenn die PDS zuwenig aus der Geschichte gelernt hat, dann ist zu befürchten, daß die Konservativen in diesem unserem Lande gar nichts aus der Geschichte gelernt haben und den Zusammenbruch der Utopien dazu benutzen werden, die gesamte Entwicklung ins 19. Jahrhundert zurückzudrehen, aus dem sie und ihre politischen und gesellschaftlichen Ziele stammen. Ludwig Schönenbach, Bremen

Die Frechheit des wahrhaft „knallharten“ Artikels ist eine Steigerung dessen, was zu DDR-Zeiten die konservativen West-Politiker zu sagen wagten – selbst die FAZ traut sich kaum, ein dermaßen unverblümtes 50er-Jahre-Vokabular zu verwenden. Daß die taz dieses Pamphlet abdruckt, kann nur so verstanden werden, daß Ihr dokumentieren wollt, wo die SPD steht (was aber eigentlich schon vorher klar war) – oder völlig den Verstand verloren habt. Christine Wenzl, Berlin