■ Das Portrait
: Asma Jahangir

„Es wäre Heuchelei gewesen, wenn ich den Posten als Richterin angenommen hätte“, lehnte die 42jährige Rechtsanwältin Asma Jahangir vor kurzem die Offerte ab, die ihr Pakistans Premierministerin Benazir Bhutto gemacht hatte. „Ich hätte dann Gesetze anwenden müssen, an die ich nicht glaube, zum Beispiel die Todesstrafe, den Blasphemieparagraphen sowie Gesetze, die gegen Frauen gerichtet sind und Kinderarbeit zulassen.“ Es war nicht das erste Mal, daß die feministische Anwältin der Premierministerin einen Korb gegeben hat. 1990 sollte sie in die Nationalversammlung einziehen, doch sie winkte ab: „In der Politik verliert man den Blick für Menschenrechte. Das Engagement verschwindet zugunsten des politischen Kalküls.“

Jahangir stammt aus einer wohlhabenden Familie und machte bereits 1971 Schlagzeilen, als sie mit einer Petition für ihren Vater – er war unter Kriegsrecht verhaftet worden – Erfolg hatte. Der damalige Präsident Zulfikar Ali Bhutto mußte daraufhin eine „provisorische Verfassung“ erlassen. Jahangir war damals noch Studentin, sie schloß ihr Jurastudium am Kinnaird College in Lahore erst 1980 ab. Im selben Jahr eröffnete sie mit ihrer Schwester eine Anwaltspraxis. Als General Zia ul-Haq frauenfeindliche islamische Gesetze einführte, beschränkte Jahangir ihren Einsatz nicht mehr länger auf die Gerichte, sondern ging auf die Straße. Das brachte ihr einen Kurzaufenthalt im Gefängnis sowie die ständige Überwachung ihrer Wohnung und ihres Büros ein.

Anwältin aus Pakistan Foto: Ahmed Rashid

1986 war Jahangir Mitbegründerin der „Menschenrechtskommission von Pakistan“, deren Vorsitzende sie heute ist. Außerdem ist sie im Vorstand des „Aktionsforums für Frauen“, das sich für Frauenrechte einsetzt. In ihrer Praxis sind heute zehn AnwältInnen beschäftigt, außerdem betreibt Jahangir das größte Zentrum für kostenlose Rechtshilfe Pakistans. Ihre KlientInnen sind vor allem Christen, Hindus und auch Muslime, denen wegen angeblicher Blasphemie die Todesstrafe droht. „Zu uns kommen nur die wirklich Hilflosen“, sagt Jahangir, „Leute ohne Geld und Hoffnung. Manchmal gewinnen wir, aber es ist nicht leicht. Das Rechtssystem ist zusammengebrochen. Deshalb greifen so viele zur Gewalt.“ Der Zeitungsverleger Khalid Ahmed sagt über die Anwältin: „Wenn es Jahangir nicht gäbe, an die Menschen in Pakistan glauben können, müßte man sie erfinden.“ RaSo