Neun Jahre Haft für Vergewaltiger

In Flachslanden mißbrauchte ein 36jähriger Mann über Jahre hinweg seine drei Nichten / Ein umfassendes Geständnis ersparte den Kindern den Zeugenauftritt  ■ Aus Ansbach Bernd Siegler

Zu neun Jahren Haft verurteilte das Landgericht in Ansbach gestern den 36jährigen Horst K. wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs und Vergewaltigung von drei Mädchen im Alter zwischen sechs und elf Jahren. Der Bauhelfer aus Flachslanden ist der Onkel der drei Mädchen. Der Staatsanwalt hatte zuvor zehn Jahre Freiheitsentzug gefordert. Damit ist das sechste Verfahren in der größten Prozeßserie um sexuellen Mißbrauch in der Geschichte der Bundesrepublik abgeschlossen. Bisher hatte das Ansbacher Landgericht Haftstrafen in dem Mammutverfahren zwischen dreieinhalb und zehn Jahren verhängt.

Im Mittelpunkt der Verfahren steht das Ehepaar Angelika und Rudi T. aus der 2.500 Einwohner zählenden Marktgemeinde Flachslanden im Landkreis Ansbach. Dessen vier Töchter und ein zweijähriger Sohn sollen von den Eltern, von Bekannten und Verwandten und vom Dorfarzt über Jahre hinweg mißbraucht und vergewaltigt worden sein. Insgesamt hat die Ansbacher Staatsanwaltschaft Anklage gegen 21 Beschuldigte im Alter zwischen 23 und 79 Jahren erhoben.

Horst K. ist der Bruder der Mutter der Kinder. Laut seinem umfassenden Geständnis verging er sich über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mehrmals an seinen drei Nichten. Den Widerstand der Mädchen brach er mit Gewalt. „Ich dachte, ich war bei ihnen der erste“, ist das einzige, was dem Angeklagten nach eigener Aussage bei seinen Taten durch den Kopf ging.

Doch K. beging die Taten nicht allein. Mit dabei in der Wohnung der Familie T. sowie an einem weiteren Tatort in einer Waldhütte waren sein jüngerer Bruder und ein ihm bekannter 29jähriger Arbeiter, der die Vergewaltigungen der Kinder mit einer Videokamera filmte. Als die Mutter der Mädchen, K.s Schwester, ihren Bruder bei einer Vergewaltigung überraschte, gab sie diesem lediglich zu verstehen, sie werde dafür sorgen, daß nichts ans Tageslicht komme.

Eine wesentliche Rolle bei dem Verfahren spielte die Frage der Schuldfähigkeit des 36jährigen. Der Ingolstädter Psychologe Haderthauber machte jedoch in seinem Gutachten unmißverständlich klar, daß der Bauhelfer „in jeder Hinsicht uneingeschränkt schuldfähig“ sei, obwohl sich seine Intelligenz am „Rande der Debilität“ bewege. Die Taten des Mannes beruhten „nicht auf sexuellen Schwierigkeiten“. Nach der Zerrüttung seiner neunjährigen Ehe hätten die Mädchen für K. als „Lückenbüßer“ bis zur nächsten festen Beziehung gedient. Mit dem Mißbrauch und den Vergewaltigungen der Kinder habe sich K., so der Gutachter, „seine Männlichkeit demonstrieren“ wollen.

Bei den Mädchen habe „er sich holen können, was er wollte“. Damit habe er seine „Lebenserfahrungen umkehren können“. Als ältestes von sieben Kindern einer Außenseiterfamilie sei K. immer zu kurz gekommen.

Der Angeklagte habe aber auch genau gewußt, was er bei den Mädchen anrichtete. „Die Kinder werden sich vor Männern ekeln“, antwortete er dem Gutachter auf eine entsprechende Frage.

Die Familientherapeutin Irene Eisenbeis, die die fünf Kinder der Familie T. betreut, betonte vor Gericht, daß das Selbstwertgefühl der Mädchen „völlig zerstört“ sei. „Sie kämpfen, geprägt von tiefen Schuldgefühlen, mit aller Energie um eine Daseinsberechtigung.“ Ihr Verhältnis zum eigenen Körper sei von „Ablehnung und Verachtung“ gekennzeichnet. Die drei Mädchen würden später wohl nie mehr „ein normales Sexualleben führen“ können.

Die Psychologin und vom Gericht bestellte Gutachterin Helga Poschenrieder bezeichnete insbesondere das „Gefühl der totalen Ohnmacht, wie ein Möbelstück benutzt worden zu sein“, als in seinen Auswirkungen auf die Mädchen „besonders fürchterlich“. Der Angeklagte Onkel der Kinder nahm diese Stellungnahmen im Gerichtssaal völlig regungslos zur Kenntnis.