Auf dem Sofa Unter den Linden

■ Autofahrer mögen Rikschas / Incognito dank Klappverdeck

Die Urahnen nannten so etwas Kaiserwetter: blauer Himmel und strahlende Sonne. Bei etwa 25 Grad Celsius gleite ich gemächlich durch das Scheunenviertel. Die Rikscha, in der ich es mir bequem gemacht habe, bewegt sich ungefähr mit 15 Stundenkilometern vorwärts, so daß mir sanfter Wind entgegenweht.

Daß Jens Grabner, der mich durch Berlin chauffiert, so strampeln muß, macht mir fast ein schlechtes Gewissen. Doch mein Fahrer beruhigt mich: „Beim Kaffeegenuß denkt auch niemand an die Plantagenarbeiter – und die klotzen härter ran.“ Er hingegen erfreue sich einer fairen Entlohnung, beteuert der Inhaber des Ein-Mann-Betriebes „Rikscha Mobil“. Dabei liegt er mit den 20 Mark, die er für jede halbe Stunde von mir haben will, nicht über dem Durchschnittssatz für eine Taxifahrt. „Auf Innenstadtstrecken bin ich oft schneller und somit auch billiger als ein Taxi“, versichert Grabner.

Doch diese Rechnung interessiert mich momentan ohnehin nicht sonderlich. Dieser Ausflug lohnt sich allemal: Zum einen sitzte ich bequem wie auf einem Sofa. Dazu kommt der phantastische Ausblick.

Beeindruckend ist aber auch noch ein ganz anderer Umstand: Ich bin in Berlin noch nie von so vielen Menschen in so kurzer Zeit angelächelt worden. Auch die Autofahrer verhielten sich merklich rücksichtsvoller und freundlicher, als man dies in der Rolle des „normalen“ Radlers gewohnt ist. Auf der Wilhelm-Pieck-Straße überließ uns ein PKW sogar freiwillig die Vorfahrt. Neben der Exotik des Gefährts sind es wahrscheinlich auch die Sympathien für den Mann, der sich hinter mir so abrackert, die so vielen Passanten die Gesichter aufhellen. Für mich, den Fahrgast, fällt allerdings auch noch reichlich ab von den „positive vibrations“.

Die Linden hinunter durch das Brandenburger Tor geht es schließlich Richtung Siegessäule. Beim Passieren des Tores machen sich erschreckend erhebende Gefühle bemerkbar. Sehe ich jetzt aus wie ein Tourist? Egal, mich in einer Rikscha zu lümmeln und wie ein Touri zu wirken ist etwas anderes, als dabei im Reisebus zu sitzen.

Als ich dann aber doch zu dem Schluß komme, nun auf genügend Videokameras – vor allem asiatischer Urlauber – gebannt worden zu sein, lasse ich das Verdeck hochklappen. Das Faltdach schützt mich nicht nur vor Regen und Sonne, sondern ermöglicht mir zudem noch eine Fahrt incognito.

Wieder zu Fuß unterwegs, sind die Leute plötzlich gar nicht mehr so freundlich – schade. Lars Klaaßen