Städtische Kitas stehen im Regen

■ In 1.000 Kitas fand gestern morgen ein dreistündiger Warnstreik statt / Senat plant drastische Einsparungen

Wo sonst 131 kleine Kinder herumkrabbeln und -brabbeln, herrscht Stille. Niemand spielt mit den Legoklötzen, den Puppen oder den Teddys. Es ist sechs Uhr morgens, und in der Kita in der Monumentenstraße wird gestreikt. Draußen regnet es Bindfäden, und das miese Wetter paßt zur miesen Stimmung. „Die Sparpläne des Senats sind unmöglich. Es ist nicht zu glauben, was alles auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden soll“, sagt Erzieherin Marion Günter, die mit ihren KollegInnen im Regen steht und Streikplakate aufhängt: „Keine Massenkinderhaltung in Kitas!“

Rund 1.000 der 1.300 Berliner Kitas haben sich gestern dem Aufruf der GEW zum Warnstreik angeschlossen. Anlaß sind die Sparpläne des Senats für die städtischen Kindertagesstätten. Statt wie bisher 15 sollen ab 1995 22 Kinder in einer Gruppe sein. Und statt eineinhalb ErzieherInnen pro Gruppe gibt es dann nur noch eineinviertel. In den Augen von Marion Günter „unmöglich, denn schon 15 sind eigentlich zuviel.“

Der dreistündige Warnstreik soll ein „Warnschuß“ sein. „Ein Zeichen, daß der Senat nicht alles mit den Kitas machen kann“, erklärt sie. Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) bezeichnet den Warnstreik als rechtswidrig und droht mit Konsequenzen. Und auch Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) zeigt kein Verständnis für den Streik. Aber das ist denen, die im Regen stehen, egal: „Streik ist unser einziges Mittel.“

Dumm ist das an diesem Morgen allerdings für die Eltern. Denn die müssen ihre kleinen Quälgeister wegen des Streiks drei Stunden länger zu Hause behalten. „Wir haben alle Eltern informiert“, sagt Marion Günter, „und die meisten sind ganz solidarisch.“ Zumindest läßt sich niemand blicken, der draußen im Regen stehen müßte. Nur ein paar sind extra früh aufgestanden, um mitzustreiken.

Ilse Schmidt, Kitaleiterin in der Holzmarktstraße in Mitte, sieht für den Osten durch die Sparvorschläge noch „viel härtere Konsequenzen“. Während es im Westen genügend Kinder gebe, seien schon jetzt im Osten durch den Geburtenrückgang die Ostkitas nur vollbesetzt, weil Westkinder mit dabei sind. Wenn jetzt die Kinderanzahl pro Gruppe erhöht werde, werde es weniger Gruppen geben, und „es werden noch zusätzlich Erzieherinnen entlassen“, sagt Ilse Schmidt. Die Forderungen aber sind in Ost und West dieselben: ein Tarifvertrag, der die Gruppengröße und ErzieherInnenanzahl festlegt.

Um Punkt neun ist aber vorerst Schluß. Die ersten Eltern stehen mit ihren Kindern vor der Tür im Regen und warten. Und wo vorher drei Stunden ungewöhnliche Ruhe war, wird wieder gekrabbelt und gebrabbelt. Patricia Pantel