■ Der Riesen-Gourami: ein Zierfisch für die Bratpfanne
: Die Mastsau unter den Fischen

Tübingen (taz) – Willy Gabert ist stolz: „Ist das nicht ein schöner Kerl?“ sagt er und hält mit blutenden Fingern einen glitschigen Riesen-Gourami in die Höhe. Die in Südostasien beheimateten Riesen-Gouramis sind Speisefische und mit den von Aquarianern geschätzten „Küssenden Gouramis“ verwandt. Willy Gabert aus Meidelstetten ist der erste Europäer, dem es bisher gelang, diesen warmwasserliebenden Fisch in unseren kalten Gefilden zu züchten.

„Wenn ich was mach', dann mach' ich das richtig“, sagt der 67jährige. Während andere mit Beginn des Rentenalters mehr den Müßiggang einlegen, startete Gabert vor wenigen Jahren nochmals energisch durch. Zumal er 1986 seine große Pelztierzucht aufgeben mußte und sich in seinen Hallen fortan statt nagender Nutrias nur noch die Spinnweben vermehrten. Das wurmte den Züchter Gabert, der just zu der Zeit per Zufall auf den Gourami kam.

Ihn begeisterte ein Entwicklungshilfeprojekt in Thailand, wo Tübinger Wissenschaftler mit Hilfe baden-württembergischer Fördermittel die Aufzucht des Riesen-Gourami verbreiten und Vorurteile abbauen wollten. Während die indonesischen Köche das feste weiße Fleisch des Fisches längst schätzten, war der Genuß des Riesen-Gourami in der siamesischen Nachbarschaft aus ethischen Gründen verpönt. Die Süßwasserfische lebten da vornehmlich in den Teichen der buddhistischen Tempelanlagen und galten deshalb als heilig. Die Riesen- Gouramis führten ein geruhsames Leben, wurden alt, träge und zutraulich, was ihnen in Thailand den Ruf einbrachte, dumm zu sein. Unangenehmerweise nahmen sie den Geruch der stehenden Tempelgewässer an: sie rochen faulig und modrig. Selbst frevelnde Angler hatten angesichts der Beute am Haken deshalb nur ein Naserümpfen übrig. Dabei wäre er wegen leergefischter Flüsse in Thailand als Proteinspender dringend benötigt worden. Der Riesen-Gourami ist nämlich der ideale Kandidat für die Bratpfanne. „Der schmeckt mindestens genauso gut wie ein Zander“, hat sich Gabert von Testessern bestätigen lassen. Feinschmecker schätzten vor allem an dem Fisch, daß er kaum Gräten hat. Die besondere Empfehlung: Gouramifilet in Bierteig gebacken.

Doch nicht nur die Haute Cuisine profitiert von Gaberts Pioniergeist, auch die Wissenschaft will es tun. Die Bauchspeicheldrüse des Gourami, als „Lebendimplantat“ benötigt, soll die Diabetesforschung einen bedeutenden Schritt weiterbringen können. Dazu allerdings braucht es lebende Riesen- Gouramis eines bestimmten Alters – bislang für die Mainzer Wissenschaftler eine Seltenheit. Die Fische überstehen nur selten den zwölfstündigen Flug von Asien nach Europa. Aus Transportgründen werden sie in Plastikbeuteln untergebracht, was für sie, weil sie Lungenatmer sind, verhängnisvolle Folgen hat. Reichert sich doch die verbliebene Luftkammer in den Beuteln mit der Zeit mit Kohlendioxid an, so daß die Tiere sich selbst vergiften. Je älter sie sind, desto schneller geht das.

Gabert hatte das Glück, daß der Tübinger Dr. Alfred Bittner ein paar kleine Jungfische aus der thailändischen Zucht mitbrachte. Monatelang isolierte der Züchter die ehemaligen Nutria-Hallen, funktionierte Biertanks einer Brauerei zu Becken um, richtete im ehemaligen Schwimmbad seines Hauses gar eine „Riesen-Gourami-Kinderstube“ ein und konstruierte eine für die Fische maßgeschneiderte Warmwasseraufbereitung.

Der Gourami ist ein Allesfresser, der sogar in seiner asiatischen Heimat als „Mastsau mit Flossen“ bezeichnet wird. Glücklicherweise ist er auch in der Fremde kein Kostverächter: man sah ihn schon Spätzle und Kiwis verspeisen. Daß der Fisch aber eine Vorliebe für simplen Löwenzahn hat, freut Gabert, der diesen im Gewächshaus kultiviert und sich so teures Fischfutter spart.

Für die Züchtung des Riesen- Gourami erwies sich vor allem die Tatsache als vorteilhaft, daß er ein Lungenatmer ist. Er taucht immer wieder mit schmatzendem Geräusch an die Oberfläche, um Sauerstoff zu tanken. Kiemenatmer dagegen sind auf einen konstanten Sauerstoffgehalt im Wasser angewiesen, was ihre Aufzucht aufwendiger, teurer und auch riskanter macht. Ein Stromausfall schon von wenigen Stunden kann den Fischen den Erstickungstod bringen und die Arbeit von Jahren zunichte machen. „Den Gourami aber“, das gefällt Gabert an dem genügsamen Flossentier, „läßt das total kalt. Hauptsache, er hat es schön warm.“ Birgit Conzelmann