Mustangs Hosianna

■ "Jam" - Die Sendung zur Hose, ab So. um 17 Uhr bei Viva

Wir wissen es längst: Der wichtigste Unterschied zwischen einer Jeans und einer Jeans ist die Marke. Aber den deutschen Jeansmarkt haben die großen amerikanischen Anbieter wie Levi's oder Wrangler fest im Griff. Da haben es heimische Hersteller wie Mustang schwer, gegen das Image der „Originale“ anzukommen. Was also tut ein Textilunternehmen wie Mustang, wenn seiner Jeans das Markenimage fehlt?

Der Künzelsauer Jeans-Hersteller kauft es sich einfach, und das geht so: Zuerst investiert man in eine Zeitschrift namens Jam (Jeans And Music), die außer reichlich Jeanswerbung auch Musikberichte liefert. Dann tritt man als großzügiger Sponsor von Rockkonzerten auf und veröffentlicht zusammen mit der Bertelsmanntochter BMG Ariola Pop-Sampler namens „Jamtrax“. Und wenn das immer noch nicht reicht, kauft man sich eine Musiksendung namens „Jam“ bei einem Musikkanal, der genau die anvisierte Zielgruppe der 15- bis 30jährigen erreicht. Das Ergebnis ist ab morgen bei Viva zu besichtigen: eine Sondersendung über die Bluesrock-Dinosaurier ZZ Top – gesponsort und koproduziert von Mustang.

Die Musiksendung „Jam“, die künftig einmal pro Woche bei dem Kölner Musiksender laufen wird, soll der prestigelosen Marke „eine glaubwürdige Verwurzelung in der Jugendkultur“ bescheren, erklärt Mike Raven vom Mainhattan Verlag, der auch an der Mustang-Zeitschrift Jam beteiligt ist. Da entbehrt es nicht der Ironie, wenn dann neben den Rolling Stones und Madonna auch die Düsseldorfer Punkband Die Toten Hosen vorgestellt werden soll.

Damit die toten Hosen aus Künzelsau zu neuen Jugendkulturehren kommen, hat Mustang reichlich investiert. Zwar beziffert der geschäftsführende Mustang- Gesellschafter Heiner Sefranek die Kosten der Sendung nur vage mit „einigen Millionen“, und auch darüber, wieviel Prozent der Produktionskosten die Firma übernimmt, schweigt man sich bei Mustang und Viva aus. Doch der Marketingetat von Mustang ist in den letzten Jahren auf satte 8,6 Prozent des Umsatzes gestiegen; branchenüblich sind nur „maximal fünf Prozent“, wie selbst Sefranek zugibt.

Zahlen wird das letztlich der Verbraucher. Auch wenn die Werbewirtschaft vehement bestreitet, daß die Marketingetats durch erhöhte Produktkosten gedeckt werden, soll die neue Mustang-Kollektion im Herbst etwa 30 Prozent teurer sein als die Vorjahresware.

Bei Viva gibt man sich betont naiv. „Jam“, der „audiovisuelle Teil des Mustang-Musikkommunikationskonzepts“ (Pressemitteilung) sei eben gutmütiges Mäzenatentum: „Jam“ wird bei Viva als „die erste Jugendkulturförderung durch die Privatwirtschaft im deutschen Musikfernsehen“ verkauft.

Aber nicht immer ist Mustang so großzügig wie bei „Jam“. Nachdem bereits in den letzten zehn Jahren die Hosenproduktion weitgehend in Billiglohnländer wie Ungarn und Rußland verlagert wurde, sollen jetzt offenbar auch die letzten beiden deutschen Werke geschlossen werden. Die 400 Beschäftigten haben dann viel Zeit, um sich im Fernsehen anzugucken, wie auf Kosten ihres ehemaligen Arbeitgebers „gejammt“ wird. In Künzelsau ist dagegen in Zukunft nur noch tote Hose. Tilman Baumgärtel