Haiti: Der Rückzug eines Mitspielers

Panama lehnt es ab, Flüchtlinge aus Haiti aufzunehmen, und beschert der US-Regierung ein Problem: Wird sie den Flüchtlingsstrom nun mit einer Militärintervention stoppen?  ■ Aus Washington Andrea Böhm

In alten Zeiten hätte womöglich der drohend erhobene Zeigefinger genügt, doch die alten Zeiten sind vorbei. Folglich blieb der US-Regierung am Donnerstag nichts übrig, als zähneknirschend zur Kenntnis zu nehmen, daß ein wichtiger Mitspieler in der amerikanischen Haiti-Politik seine Rolle wieder zurückgab: Am Donnerstag erklärte Panamas Präsident Guillermo Endara, sein Land werde entgegen der ursprünglichen Zusage an die Clinton-Administration nun doch keine haitianischen Flüchtlinge aufnehmen. Endara, der 1989 während der US- Invasion Panamas auf einer amerikanischen Militärbasis vereidigt worden war, gab zur Begründung „totale Fehlkommunikation“ mit Washington an, und beschuldigte die US-Regierung, die Bedingungen der Absprache über die Errichtung einer „Schutzzone“ für haitianische Boat people in Panama verändert zu haben. Die wahren Gründe dürften eher in der massiven Opposition gegen Endara in Panama zu finden sein. Der Präsident, der nur noch sieben Wochen im Amt ist, gilt als devoter Befehlsempfänger der USA.

In ersten Reaktionen versuchte der Sondergesandte der Clinton- Administration für Haiti, William Gray, die Absage als kleinere Komplikation hinzustellen. Gray gab bekannt, daß sich neben den beiden Karibik-Inseln Antigua und Dominica nun auch Grenada „prinzipiell“ bereit erklärt habe, für eine bestimmte Zeit haitianische Flüchtlinge unterzubringen. Doch die Aufnahmekapazitäten der drei Ministaaten zusammen sind weitaus geringer als die Panamas, das ursprünglich zugesagt hatte, 10.000 Boat people aufzunehmen. Die USA wollen nun bis zu 20.000 Haitianer auf ihrem Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba unterbringen. 10.000 Flüchtlinge befinden sich bereits in Guantanamo Bay. Allein am Mittwoch hatte die US-Küstenwache weitere 1.731 Menschen aus überfüllten Booten geborgen. Bereits am Mittwoch hatte die US-Regierung auf Druck von Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen die Aufnahmekriterien für die „Schutzzonen“ erleichtert. Damit ist absehbar, daß die Flüchtlingslager auf Guantanamo Bay und auf anderen Karibikinseln in wenigen Tagen überfüllt sein werden.

Damit verschärft sich das Dilemma Clintons: Gegen die Aufnahme von Boat people in den USA gibt es eine mächtige Opposition aus konservativen Kongreßabgeordneten und Vertretern der betroffenen Bundesstaaten. Die einzige Möglichkeit, die Fluchtwelle zu stoppen, wäre der Sturz der haitianischen Militärs durch eine Intervention. Zwar hat sich Bill Clinton inzwischen über die Details der Grenada-Invasion 1983 informieren lassen, doch noch sind die USA auf der Suche nach Ländern, die sich an einer solchen Operation beteiligen würden.

Auch die multinationale Peace Keeping-Truppe, die nach der Rückkehr des im September 1991 gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide in Haiti stationiert werden soll, existiert bislang nur auf dem Papier. Letztere dürften jedoch für Clinton unabdingbare Voraussetzung sein: Eine Militärintervention unter US-Führung kann er nach dem Debakel in Somalia innenpolitisch nur durchsetzen, wenn klar ist, daß US-Truppen kurz nach dem Sturz der Militärs von UN-Einheiten abgelöst werden. Andrea Böhm