15 Störfälle in ukrainischen Kernkraftwerken

■ G 7 sollen ukrainischer Atomindustrie helfen / Waigel will Geld lockermachen

Kiew/Moskau (dpa) – In den fünf Kernkraftwerken der Ukraine ist es im Juni zu 15 Störfällen gekommen, fünf mehr als im Mai, meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Nur einer davon sei der Stufe Eins auf der siebenstufigen Skala der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zugeordnet worden, die übrigen der Stufe Null. Allein neun Störfälle passierten im Atomkraftwerk Saporoschje, der mit fünf 1.000-Megawatt-Reaktoren größten Nuklearanlage der Welt. Erst am Donnerstag mußte der Raktorblock des AKW Chmelnizki wegen eines Fehlers im Isoliersystm des Generators zeitweise abgeschaltet werden. Die 14 Reaktoren liefern 36,4 Prozent des ukrainischen Stroms.

Der russische Präsident Boris Jelzin nimmt ab heute an den politischen Beratungen der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) in Neapel teil. Dort will er sich für mehr Sicherheit in der ukrainischen Atomindustrie stark machen. US-Präsident Bill Clinton hatte vorgeschlagen, der Ukraine für die Stillegung des Atomkraftwerks Tschernobyl Wirtschaftshilfe von fünf Milliarden Dollar (knapp 7,9 Mrd. DM) zu gewähren. Finanzminister Theo Waigel versprach am Vorabend des Gipfels, er wolle im Bundeshaushalt 1995 mindestens 15 Millionen Mark bereitstellen, um die Ukraine zum Abschalten der Tschernobyl-Reaktoren zu bewegen. Auf dem G-7-Treffen werde die Zukunft der unsicheren AKW im ehemaligen Ostblock an vorderster Stelle stehen, sagte Waigel. Die sieben Industrienationen wollen einen Zeitplan für die Schließung Tschernobyls, Maßnahmen des Westens zur Fertigstellung von Ersatzkapazitäten zur Energieversorgung und Vorschläge zur Umstrukturierung des Stromsektors in Rußland und der Ukraine beschließen.

Die Ukraine braucht nach Angaben des Vorsitzenden ihres Staatskomitees für Atomenergie, Michail Umanez, mindestens fünf neue 1.000-Megawatt-Reaktoren, um die notwendige Spannung in ihrem Stromnetz halten zu können. Erst dann könne daran gedacht werden, das Kraftwerk Tschernobyl stillzulegen. Umanez bezifferte die Kosten für den Ausbau der ukrainischen Kernenergie auf sieben bis neun Milliarden Mark. Er wiederholte seine Forderung, ein völlig neues Atomkraftwerk mit zwei Reaktorblöcken bei dem Ort Slawutitsch zu bauen. Dort wohnen die Bedienungsmannschaften für das Kraftwerk Tschernobyl.

Die beiden noch funktionierenden Blöcke in Tschernobyl könnten frühestens 1996 stillgelegt werden, sagte Umanez. Insgesamt werde sich der Prozeß der Stillegung etwa 25 Jahre hinziehen.