Mit Li Peng auf einer Wellenlänge

■ Bei Siemens und Dasa war die Welt des chinesischen Regierungschefs wieder in Ordnung / Milliardenprojekte vereinbart / Keine Fragen nach Menschenrechten

Berlin/München (taz) – Ein joviales Lächeln, ein Toast auf neue Milliardengeschäfte, und schon war Li Peng, Chinas beleidigter Ministerpräsident, wieder in seinem Element. „Wir wollen nicht über Politik reden“, belehrte der rote Mandarin gestern Siemens Vorstandschef Heinrich von Pierer bei seiner Stippvisite im Münchener Forschungszentrum des Elektromultis, jetzt gehe es um Geschäfte. Das war allen das liebste, und so stimmte Pierer gerne zu, stieß auf den „Handel durch Wandel“ an und unterzeichnete anschließend freudestrahlend Verträge und Absichtserklärungen mit einem Volumen von bis zu vier Milliarden Mark.

Zusammen mit bereits vor wenigen Tagen geschlossenen Vereinbarungen beläuft sich das Gesamtvolumen auf rund sechs Milliarden. Sie betreffen Gemeinschaftsunternehmen für drei Kohlekraftwerke, hinzu kommen Verträge und Absichtserklärungen über Joint-ventures und Lieferungen für Wasserkraftwerkkomponenten, Telefonvermittlungssysteme, Walzwerk-Leittechnik, Elektromotoren, Starkstromkabel und Transformatoren. Ein Teil davon ist aber noch heiße Luft, denn viele der mitgezählten Projekte sind noch weit von einem Vertragsabschluß entfernt. Für Siemens (Umsatz: 81,6 Mrd. DM) nicht gerade ein Bombengeschäft, aber immerhin hat man auf dem größten Markt der Zukunft Fuß gefaßt. Keine Anklagebank, keine bohrenden Fragen nach Menschenrechten, keine öffentlichen Brüskierungen – so und nicht anders muß sich Li Peng seine Visite bei den reichen Deutschen vorgestellt haben. Getreu dem Deng- Motto „Werdet reich!“ brachte der Gast zum Abschluß seine Vorstellungen auf den Punkt: Die größte Politik sei ohnehin die Wirtschaft.

Auch Daimler-Benz funkt mit den Chinesen künftig auf einer Wellenlänge. Der Luft und Raumfahrtkonzern Dasa hat Gründungsverträge für eine gemeinsame Gesellschaft für Raumfahrt- und Satellitentechnik unterzeichnet. Geplantes Umsatzvolumen bis zum Jahr 2006: Rund 1,6 Milliarden Mark. „Kein Kommentar“, erkärte Dasa-Chef Jürgen Schrempp auf die Frage, ob die Proteste des Vortages Auswirkungen auf die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen haben könnten, wie aus chinesischen Delegationskreisen noch am Vormittag verlautet war. Der künftige Daimler-Chef wollte sich nicht auf dünnes Eis begeben; schließlich hatte er wenige Minuten vor Li Pengs Eintreffen klargemacht, was er von dem Besuch erwartet: „Für uns ist es wichtig, daß die Gespräche auf wirtschaftlicher Ebene fortgesetzt werden.“ Für Menschenrechte ist da wenig Platz, unter deren permanenter Verletzung müssen die Geschäfte nicht leiden.

Nach den vorangegangenen Protesten gegen den Staatsgast fürchtete Otto Wolff von Amerongen, Vorsitzender des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, schon um die Aufträge für deutsche Firmen. Wolffs Haltung spricht Bände: Im übrigen, so der Elder statesman des Osthandels, halte er die Proteste für „übertrieben“. Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung vor fünf Jahren sei er in China gewesen und habe „hinter verschlossenen Türen“ klargemacht, daß das „nicht der richtige Weg zur Öffnung“ sei. Doch stille Diplomatie kann auch feige sein. Erwin Single