„Warum muß immer der Bürger klagen?“

■ Marianne Fritzen rechnet immer mit dem Ernstfall. Sie ist Sprecherin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und kämpft seit siebzehn Jahren gegen die Atomanlagen von Gorleben

taz: Elf Jahre konnte die Bürgerinitiative das Castor-Lager leer halten. Wird es diesmal ernst?

Marianne Fritzen: Dies ist unser fünfter Castor-Alarm, und es ist uns immer wieder gelungen, die Einlagerung von hochradioaktivem Müll abzuwenden, obwohl die Brennelementelagergesellschaft schon seit 1983 die Genehmigung hat. Es wird sicher ernst, wir rechnen jedesmal mit dem Ernstfall – auch diesmal.

Die SPD-geführte Landesregierung wagt seit gestern den Konflikt mit der Bundesregierung.

Die Landesregierung schöpft keineswegs ihre Möglichkeiten aus. Sie sagt, sie könne nicht klagen. Aber warum muß immer der Bürger klagen, wo doch die Regierung für ihn da sein soll? Wir hatten schon mal einen Ministerpräsidenten, der gesagt hat, das Atomlager sei hier politisch nicht durchsetzbar. So weit ist Ministerpräsident Schröder bisher nicht gegangen. Absolut unverständlich ist für uns, daß er in den Energiekonsensgesprächen die externen Zwischenlager wie Gorleben als sogenannten Entsorgungsweg favorisiert hat. Da wird dann alles unglaubwürdig.

Was wird geschehen, wenn der Castor tatsächlich kommt?

Die Vorbereitungen laufen seit Wochen bundesweit, und über die ungeheure Resonanz sind wir sehr glücklich. Auch der Landkreis hier steht kopf – jeden Tag gibt es seitenweise Anzeigen gegen den Castor in unserer Lokalzeitung. Wir werden vor dem Castor da sein, ganz gleich, wann er kommt. Ab Samstag mittag werden wir vor dem Zwischenlager präsent sein, und in dem Moment, wo der Castor aus dem AKW Philippsburg rausfährt, werden wir sofort die Alarmkette auslösen. Die Streckenabschnitte sind fabelhaft überwacht.

Ziel ist, die Zufahrten zum Castor-Lager zu blockieren?

Das erste Ziel ist, den Castor überhaupt nicht in den Landkreis kommen zu lassen. Wenn er tatsächlich die Grenze des Landkreises überschreitet, sollte man es ihm so schwer wie möglich machen.

Dabei sind dann der Phantasie keine Grenzen gesetzt?

Es gibt sehr viele verschiedene Gruppierungen – innerhalb und außerhalb der Bürgerinitiative –, die Aktionen vorbereiten, ihre Phantasie walten lassen. Dabei übernimmt die Bürgerinitiative natürlich nur die Verantwortung für das, was sie selbst konzipiert und vorbereitet. Es gibt viele Arten des Widerstandes. Darüber bin ich mir klar. Im Vorfeld passiert ja schon alles mögliche, etwa an den Bahnstrecken. Aber ich vertrete seit nunmehr 17 Jahren die Auffassung, daß jeder das, was er selbst tut, selbst verantworten muß.