Blumig, funktional und einträglich

■ Als wär's ein Stück Museum: „My Fair Lady“ im Schauspielhaus mit Maximilian Schell

Roter Teppich, ein schmucker Oldtimer vorm Portal des Schauspielhauses, drinnen Pralinen und Sekt vom Sponsor, noch ein Röschen von den Rostocker Gärntereien und bei vorüberziehender Prominenz strichweise Blitzlichtgewitter: Der Musical-Sommer an der Kirchenallee wurde am Freitag mit der Gala-Premiere von My Fair Lady eröffnet.

Als verbiesterter Sprachprofessor Higgins kehrt ein Weltstar zurück, der sich vor 31 Jahren als Hamlet von Hamburg verabschiedet hatte. „Museales Theater“ hatte Maximilian Schell damals dem Intendanten Gustaf Gründgens zum Vorwurf gemacht, nun treibt er sich selbst in einer Inszenierung herum, die kaum den Staub von den Putten im Traditionshaus zu wirbeln vermag.

Aber dafür ist ja der Baumbauer von Herbst bis Frühjahr zuständig, im Sommer geht's mit leichter Unterhaltung um den Umsatz fürs Überleben. Über 2700 Mal wurde das Erfolgsmusical von Alan Lerner und Frederik Loewe am New Yorker Broadway aufgeführt. Nun soll die Wiener Tournee-Produktion in der Regie von Frank Dunlop in Hamburg und im August im Berliner Metropol-Theater die Kassen klingeln lassen.

Wie geölt surrt die Story um Higgins, der das Cockney-Englisch sprechende Blumenmädchen Eliza Doolittle zur Lady ausbildet, als Kostümorgie über die Bühne. Pittoreske, perfekt und fröhlich tanzende, singende und aufs Glück vertrauende Proletarier bevölkern das Bühnenbild, das passend zur Tournee-Inszenierung mit mechanisch-verspielter Funktionalität überrascht: Klappklapp fährt das Sofa aus der Bücherwand hervor, werden Laternen durch Tischchen ersetzt, und schwupp wechselt die Szene von der Straße ins Studierzimmer.

Yvonne Brennan Crist als Eliza überstrahlt mit stimmlicher Perfektion und Innigkeit beinah den Star an ihrer Seite. Doch hält der 63jährige Schell stimmlich noch einigermaßen mit, schauspielerisch sowieso. Seine Ausstrahlung bis in die letzte Reihe zu befördern, agiert er gern mal mit großer Geste, aber doch nicht so groß, daß er irgendwelche Busen auf der Bühne zu streifen droht. Wiewohl es Higgins im Stück gelingt, Eliza zur perfekten Aussprache von „The rain in spain rains mainly in the plains“ zu dressieren, so ist doch gelegentlich der alpenländische Akzent im englischen Gesang des 63jährigen Weltstars nicht zu überhören. Solche Probleme plagen David Henry als Elizas Vater Alfred Doolittle überhaupt nicht: Stimmgewaltig und mit Witz reißt er das Publikum zu Bravo-Rufen hin. Und rieselt, wenn er seinen Hut lupft, der Staub aus seinem Haar, dann hat das tatsächlich komische Züge.

Daß sich Maria Schell – „Bravo! Bravo!“ – in ihrer Loge vor Begeisterung überhaupt nicht zu lassen wußte, spricht für die Qualität einer Aufführung, zu der man skrupellos Tanten, Onkel, Greise und sogar minderjährige Verwandte ausführen darf. Julia Kossmann

Schauspielhaus, bis 7. August