Stadtmitte: Die Grenzen des Sparens
■ Nicht heilsames Gesundsparen, sondern Totsparen droht den Universitäten
Sparen – das klingt gut, zumal bei öffentlichen Geldern, die die Bürger mit Steuern aufbringen. Aufgaben und Ausgaben kritisch prüfen und kein Geld unnötig verschwenden – das ist zweifellos geboten und kann sogar heilsam „Gesundsparen“ sein, indem finanzielle Mittel und geistige Kräfte auf „das Wesentliche“ konzentriert und „innovativ“ wirksam werden.
Wenn das für die Berliner Universitäten jetzt angesagt wäre, dann gäbe es von diesen dafür Zustimmung. Insbesondere die West-Universitäten haben schließlich in der letzten Zeit erhebliche Haushaltskürzungen hingenommen und sich auf den Abbau von 15.000 Studienplätzen eingestellt. Aber der dafür maßgebende Hochschulstrukturplan des Landes hat sich inzwischen durch viel weitergehende Haushaltskürzungen als unseriös und unsolide erwiesen. Strukturelle Schäden sind die Folge.
Sparen beim Personal im öffentlichen Dienst ist nicht durch Entlassungen möglich. Selbst überflüssiges Personal kann deshalb nicht schnell „abgebaut“ werden. So treffen Haushaltskürzungen immer die zufällig freiwerdenden Stellen. Dem fallen vor allem die befristeten Stellen des akademischen Mittelbaus zum Opfer. „Kranksparen“ ist das, nichts sonst. Auch die vorhandenen Studierenden sind nicht wegen Haushaltskürzungen zu exmatrikulieren. Neuzulassungen lassen sich erst anschließend und nur allmählich reduzieren. So will es das Kapazitätsrecht.
Deshalb können die Universitäten objektiv nur begrenzt und in einem längeren Zeitraum angemessen sparen. Die Politik nimmt darauf aber keine Rücksicht und tönt gleichzeitig in Sonntagsreden von mehr Qualität und weniger Quantität und Geld.
Nach dem Hochschulstrukturplan soll Berlin noch 100.000 Studienplätze behalten. Das würde durch die jetzt drohenden Kürzungen vollends hinfällig. Dann gäbe es bald nur noch 75.000 Studienplätze, eine selbst im Vergleich zu großen deutschen Städten provinzielle Entwicklung, von Metropolen wie Paris oder London nicht zu reden. Bildungspolitisch wäre das der Abschied vom Hauptstadtanspruch.
Das neueste Schlagwort zur Legitimierung zusätzlicher Haushaltskürzungen heißt „Abbau von Mehrfachangeboten“. Was bisher genau umgekehrt und zum Zwecke des Wettbewerb erfolgt ist, vor allem im Hinblick auf FU und HU, soll jetzt verfehlt und unnötig sein. Aber Universitäten sind nicht wie Theater oder Opernhäuser nach Klassik hier und Moderne dort zu gestalten. Für diese verrückte Planung ist in erster Linie der zuständige Senator Erhardt verantwortlich. Nachdem er damit hochschulpolitisch abgedankt hat, müßte er eigentlich abtreten. Statt dessen hat Diepgen die Sache – auch für die Hochschulmedizin – in die Hand genommen. Er will die 100.000 Studienplätze erhalten und damit retten, was der zuständige Senator schon verspielt hat. Aber dann muß der Hochschulstrukturplan wieder gelten, so daß Haushaltskürzungen sich danach richten. Sonst werden die Universitäten „sterbenskrank“ gespart. Keine Stellenbesetzung mehr in den nächsten Jahren, keine neuen Berufungen, Weggang der besten ProfessorInnen – dann kann man die Universitäten gleich „einsparen“. Johann W.Gerlach
FU-Präsident
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