Die Umstrukturierung verhindern

■ Kann Berlin noch vom falschen Weg in die Hauptstadt abgebracht werden?

Einen Stadtplan mit unzähligen schwarzen, gelben und roten Punkten, insgesamt rund 440 Standorten von Investitionsobjekten zwischen 20 Millionen bis 1,4 Milliarden Mark – so stellte sich Berlin am Samstag abend den ZuhörerInnen im Kreuzberger Mehringhof dar. Nicht nur die Friedrichstadtpassagen oder die Daimler-Benz- Zentrale am Potsdamer Platz seien für das neue Stadtbild entscheidend, sondern auch kleinere Shopping-Center, Einkaufsstraßen oder Dienstleistungskomplexe, die fast überall im Innenstadtbereich hochgezogen werden, wie etwa das gerade im Bau befindliche Frankfurter-Allee-Plaza, war das Fazit. Wie weit Berlin auf dem Weg zur Hauptstadt und zu einer europäischen Metropole ist, bilanzierten rund 200 Menschen aus autonomen Gruppen unter dem Titel „Gegen ein Berlin der Bonzen, Bänker, Beamten, Bullen“.

Doch ob Berlin künftig wirklich in einem Atemzug mit London, New York oder Paris genannt wird, war auch für die TeilnehmerInnen unklar: Bereits jetzt sei die Vermietung der entstehenden Bürokomplexe in vielen Fällen ungesichert, und ob die Luxusmeilen genug KonsumentInnen finden werden, sei fraglich, denn schließlich existiere in Berlin kein Bürgertum wie in Düsseldorf oder München. Entscheidend sei der Regierungsumzug, doch erst nach der Bundestagswahl zeige sich, ob und in welcher Form dieser stattfinden werde. Doch kein Grund zur Beruhigung, so die VeranstalterInnen, denn trotz schleppender Geschwindigkeit ändere sich das Bild der Stadt und der Lebensverhältnisse der BerlinerInnen rapide. Besonders wichtig dabei: Die Marketingstrategien des Senats, die Berlin als „urbane, weltstädtische“ Stadt zu präsentieren versucht. Beispielsweise die spektakuläre Reichstagsverhüllung, aber auch der Wiederaufbau des Stadtschlosses sollen das Image Berlins verbessern. Alternative Vorzeige- Kulturprojekte wie das Tacheles gehören ebenfalls zum neugeschaffenen „pulsierenden Leben“, wie die unzähligen Kneipen für die „junge, dynamische“ Mittelklasse“. Und: Um das Image aufzupolieren und „unerwünschte Objekte“ von der Straße zu entfernen, würden, so die VeranstalterInnen, immer häufiger Wachschutz und Sondereinheiten der Polizei eingesetzt werden.

Der italienische Spezialitätenladen „Alimentari i vini“ in Kreuzberg, Angriffsziel von „Klasse gegen Klasse“, werde beispielsweise seit Monaten durch eine Kamera von den U-Bahn-Gleisen der Linie 1 überwacht. Dadurch könne ein ganzer Straßenzug beobachtet werden. Ausgeklügelte Sicherheitssysteme gibt es nicht nur Unter den Linden; auch in Kreuzberg oder Neukölln bezahlten Geschäfte horrende Summen für private Sicherheitsdienste. Derzeit gibt es rund 150 derartige Unternehmen, die auch ganze Straßenzüge wie den Kurfürstendamm überwachen.

Wie der Widerstand gegen den Aufbau der „Metropole Berlin“ und den Regierungsumzug aussehen könnte, wurde ebenfalls diskutiert. So berichteten BewohnerInnen der Yorckstraße 59 über ihre Aktionen gegen die Verdreifachung ihrer Miete. Die Anti- Olympia-Kampagne sei ebenfalls ein erfolgreiches Beispiel. Wichtig für die zukünftigen Aktivitäten sei es, so die VeranstalterInnen, Erfahrungen der NOlympic-Kampagne zu nutzen und sich konkrete Ziele zu setzten. Man wolle dabei langfristig arbeiten, formulierte es ein Podiumsteilnehmer. Vorstellbar sei beispielsweise eine Kampagne mit dem Ziel der Imageschädigung Berlins. jul